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MUNZINGER Sport

Reto Götschi

Schweizer Bobfahrer
Geburtstag: 25. Dezember 1965 Hausen
Klassifikation: Bobsport
Nation: Schweiz
Erfolge/Funktion: Olympiazweiter 1994 im Zweier
Weltmeister 1997 im Zweier
Europameister 1997 im Vierer
Europameister 1998 und 1999 im Zweier

Internationales Sportarchiv 27/1999 vom 28. Juni 1999 (fh)
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 05/2023


In der Schweiz wird die Bobtradition vor allem beim Bobclub Zürichsee hochgehalten. Auf große Namen wie Erich Schärer und Gustav Weder folgte Reto Götschi aus Hausen am Albis, der es zwar nicht zum Olympiasieger brachte wie sie, aber zum Weltmeister und Europameister. Das Gefühl, in den Händen, die das Steuerseil lenken, "so wenig Lenkbewegungen wie möglich" zu machen - das ist laut Götschi die Kunst des Piloten. "Gefühl sollte der Pilot aber auch", so der Kufenstar weiter, "im Hintern haben." Im Bob muß der Erfolgreiche die Ruhe weg haben, über die schwierige Finanzierung dieses teuren Sports kann Reto Götschi stark ins Räsonieren kommen. Denn an Geld fehlt es dazu immer.

Laufbahn

1986 begann Reto Götschi als Bremser mit dem Bobsport, bereits zwei Jahre später, 1988, wurde er Pilot. Bei der Junioren-WM 1991 machte er erstmals auf sein fahrerisches Talent aufmerksam, er fuhr mit dem Zweier auf den siebten Platz und mit dem Viererschlitten auf den sechsten. Die Konkurrenz war groß im eidgenössischen Lager, so mußte er schon froh sein, 1992 als Senior seinen ersten EM-Start zu bekommen; im Vierer belegte er Rang acht. Olympia fand ohne ihn statt, zu groß war der Vorsprung der Weder, Meili, Poltera und Wildhaber.

Mit dem Titel eines Schweizer Meisters 1993 im Zweier fuhr er zur EM nach St. Moritz und landete zusammen mit seinem Anschieber Guido Acklin als drittbester Schweizer auf dem siebten Platz und im Vierer auf dem sechsten. "Ich bezahle diesen Winter noch Lehrgeld, aber das macht mich für die Olympiasaison 1993/94 nur stark", sagte er, bei der WM in Innsbruck-Igls war er ebenfalls Siebter. Und tatsächlich wurden nun die Karten neu gemischt im Nationalteam, als Götschi erneut Schweizer Meister im Zweier wurde. Die EM in La Plagne bescherte ihm als zweitbestem Schweizer nach Gustav Weder im Zweier den fünften und im Vierer den sechsten Platz.

Bevor er nach Lillehammer zu den Olympischen Spielen 1994 fuhr, dachte Reto Götschi wegen der schwierigen finanziellen Verhältnisse wieder einmal laut über einen Rücktritt nach. Um so größer die Freude über olympisches Silber für Götschi/Acklin, die aber erst später durchschlug. Zunächst ärgerte sich Götschi doch ein wenig, als Führender nach dem dritten Lauf noch um fünf Hundertstelsekunden dem Landsmann Weder unterlegen zu sein: "In zwei Wochen kann ich mich vielleicht über Silber freuen." Von Rücktritt war nun keine Rede mehr, zumal Weder nach Abschluß seiner Karriere dem Götschi-Team mit Rat und Material zur Seite sprang.

Der Winter 1994/95 verlief für Götschi durchwachsen. Er gewann zwar beide nationalen Titel (auf die blieb er dann abonniert bis 1997), doch sonst nur Bronze bei der EM in Altenberg und Platz vier bei der WM in Altenberg, jeweils im Zweier. Ende 1995 mußte er erkennen: "Wir kommen nicht weiter im Schweizer Bobsport." Die EM 1996 in St. Moritz bescherte ihm und Acklin wenigstens Silber im Zweier, die WM in Calgary Bronze im Zweier nach einer enttäuschenden Weltcupserie.

Nun gründete sein Privatsponsor René Hürlimann eine Interessengemeinschaft Götschi (IGG), denn der technische Aufwand war kaum noch finanzierbar. Der Erfolg zeigte sich schon im Winter 1996/97, als Götschi nach der Vierer-EM bei der WM zu Hause in St. Moritz triumphal den Titel im Zweier gewann. Zusammen mit Guido Acklin, Daniel Giger und Beat Seitz beherrschte er auch die Vierer-Konkurrenz, doch wurden alle drei Schweizer Bobs wegen angeblich nicht reglementsgerechter Achsen disqualifiziert.

Vor Olympia kam es erst mal erneut zu Querelen um die Finanzen, dafür durfte die Verpflichtung des Deutschen Hans Wimmer als Trainer als Pluspunkt gewertet werden; er hatte den Winter zuvor doch einiges bewirkt im Schweizer Team. Das Saisonbudget von 300.000 Franken wollte er unbedingt in Gold ummünzen, doch dann die große Enttäuschung der Winterspiele von Nagano: für den Vierer nicht qualifiziert, im Zweier nur Sechster - Reto Götschi gestand ein, er habe "Fehler gemacht, die ich sonst nicht mache". Muskelprobleme in der Wade hatten einen Trainingsrückstand bewirkt. "Es lag wirklich nur an mir", schloß er ein negatives Kapitel seiner Karriere.

Aufzuhören, so erklärte er, könne er sich nun nicht leisten. Und da war ja auch noch die zuvor in Igls gewonnene Zweier-Europameisterschaft. Mit Hans Hiltebrand als neuem Nationalcoach glückte Götschi im Winter 1998/99 in Winterberg die Verteidigung des EM-Titels, bei der WM in Cortina fuhr er aber zweimal als Vierter an einer Medaille vorbei. Die im Frühjahr 1993 ins Auge gefaßte Fusion mit dem Team von Marcel Rohner wurde zurückgestellt, man einigte sich jedoch auf eine enge Kooperation.

Informationen und Meldungen zum weiteren Fortgang der Karriere siehe Journal

Persönliches

Der 1,81 m große und 88 kg schwere Reto Götschi zeigte vielfältige sportliche Talente als Ringer, Turner und Mehrkämpfer, ehe er beim Bobsport landete. Und damit auch zum Kleinunternehmer wurde. Denn dort muß er sein Team und das Material weitgehend selbst finanzieren. Der gelernte Maurer wechselte deshalb als Beamter zur Feuerpolizei; 30 Prozent seines beruflichen Engagements mache dies aus, sagt er, zu 70 Prozent ist er Bobpilot, was ihm aber nur bei Gästefahrten in St. Moritz Bares einträgt. Seit Juli 1994 ist er mit seiner langjährigen Freundin Christine Moroff verheiratet, die zumeist in Hausen am Albis das Haus hütet und den 1996 geborenen Sohn Jann.

Als er noch nicht verheiratet gewesen war, habe er sich den teuren Bobsport noch eher leisten können, sagt Götschi. Er kennzeichnet sich als Familienmensch, "der es gern häuslich hat". Heutzutage gehe er auch überlegter ran an den Sport, "nicht mehr so ungestüm". "Ich bin ein Aushängeschild der Firmen, die mit mir werben", sagt er, "ein Aushängeschild für meinen Sport und mein Land". Es brauche auch "viel Selbstdisziplin, um Erfolg zu haben". Heute überlege er sich "beim geringsten Risiko dreimal, ob es den Einsatz wert ist", auch im Straßenverkehr. Ehrgeizig sei er jedoch wie eh und je, "was ich mir in den Kopf setze, ziehe ich unter allen Umständen durch". Bei all dem athletischen und unternehmerischen Engagement bleibt Götschi nicht viel Zeit für seine Hobbys Skifahren, Mountainbike und das Kartenspiel Jassen, eher schon für den geliebten Rotwein.

30. Januar 2023: Die "Neue Zürcher Zeitung" berichtet über den früheren Bobweltmeister Reto Götschi. Bis 2015 war er für einige Jahre als Funktionär im Schweizer Bobverband tätig. Beruflich arbeitete er für einen Reifenservice und 2019 übernahm er eine Firma, die Quarzsand aus Deutschland imporiert. Daneben bietet er Bobfahrten an.

Karriere in Zahlen

Erfolge:

Olympische Spiele:

1994: Zweiter im Zweier
1998: Sechster im Zweier

Weltmeisterschaften:

1993: Siebter im Zweier
1995: Vierter im Zweier, Sechster im Vierer
1996: Dritter im Zweier, Siebter im Vierer
1997: Sieger im Zweier, im Vierer als Sieger disqualifiziert
1999: Vierter im Zweier, Vierter im Vierer

Europameisterschaften:

1993: Sechster im Vierer
1994: Fünfter im Zweier / Sechster im Vierer
1995: Dritter im Zweier
1996: Zweiter im Zweier / Vierter im Vierer
1997: Dritter im Zweier / Sieger im Vierer
1998: Sieger im Zweier / 14. im Vierer
1999: Sieger im Zweier / Sechster im Vierer

Sonstiges:

Schweizer Meister im Zweier 1993 bis 1997
Schweizer Meister im Vierer 1997

Journal

Ergänzungen aus MA-Journal. Die nachfolgenden Meldungen werden bei der nächsten redaktionellen Bearbeitung in den Text integriert.

Januar 2000: Bob: Reto Götschi wird in St. Moritz Schweizer Landesmeister im Zweier.

Januar 2000: Bob, Weltcup-Finale in St. Moritz: Reto Götschi gewinnt im Zweier, Marcel Rohner im Vierer.

Februar 2001: Bob, Weltcup in Calgary und Park City: André Lange siegt jeweils im Vierer. Im Zweier liegen in Park City Götschi/Grand vorne.

23. Februar 2015 - 8. März 2015: Während der laufenden Bob-Weltmeisterschaft in Winterberg beschließt der Schweizer Bobverband, dass Geschäftsführer Reto Götschi seinen Posten Ende April verlassen muss. Götschi trat die Stelle 2011 an.



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