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Ulrich Mäurer

Ulrich Mäurer

deutscher Jurist und Politiker (Bremen); Senator für Inneres und Sport; SPD
Geburtstag: 14. Juli 1951 Höhr-Grenzhausen
Nation: Deutschland - Bundesrepublik

Internationales Biographisches Archiv 47/2023 vom 21. November 2023 (np)


Herkunft

Ulrich Mäurer wurde am 14. Juli 1951 in Höhr-Grenzhausen im Westerwaldkreis geboren und wuchs in Daun (Eifel) auf.

Ausbildung

Nach dem Abitur 1971 studierte M. Rechtswissenschaften in Marburg und Bremen. Während des Studiums engagierte er sich für den SPD-Hochschulbund SHB und im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA). 1978 erfolgte der Abschluss im Rahmen der einstufigen Juristenausbildung.

Wirken

Berufliches WirkenSeine Berufslaufbahn begann M., der 1970 in die SPD eingetreten war, als Assessor in der bremischen Verwaltung, wo er verschiedene Referentenaufgaben beim Senator für Rechtspflege und Strafvollzug übernahm. Im Nov. 1987 wurde er Leiter des Ausbildungs- und Prüfungsamtes für die einstufige Juristenausbildung. Ein Jahr später stieg er in der Dienststelle des Senators für Justiz und Verfassung zum Abteilungsleiter auf. Ab Jan. 1997 war M. gleichzeitig als Geschäftsführer des Landeseigenbetriebs der Freien Hansestadt Bremen, JUDIT Bremen, der juristische Dienstleistungen anbietet, tätig.

Staatsrat beim Senator für JustizIm Mai 1997 wurde er zum Staatsrat beim Senator für Justiz und Verfassung befördert. Gelegentlich geriet er durch umstrittene Äußerungen ins Licht der Öffentlichkeit, so z. B. im März 2002 durch seine Bemerkung, dass bestimmte jugendliche Intensivtäter "nicht zu resozialisieren" seien, "weil sie nie sozialisiert wurden" und diese folglich inhaftiert werden müssten (zit. n. taz, 8.3.2002). Im Dez. 2002 sorgte seine scharfe Kritik an einer von den GRÜNEN vorgeschlagenen Novellierung der Richterwahl, die den Richtern mehr Selbstverwaltung bei der Posten-Besetzung einräumen sollte, für eine Kontroverse. Insbesondere ein historischer Vergleich mit den Zuständen der Weimarer Republik sorgte für Kritik durch die Opposition (vgl. WELT Online, 12.12.2002). Der Justizsenator und Bürgermeister Henning Scherf (SPD) sowie der Koalitionspartner CDU stärkten M. in der Debatte hingegen den Rücken.

2006 war M. der zuständige Beamte, der die Rolle der Sozialbehörden im Fall des Todes des zweijährigen Kevin (wegen Unterernährung und Misshandlungen) untersuchte und ein schweres Versagen der Behörden konstatierte.

Erstmals Senator für Inneres und SportAls Nachfolger von Willi Lemke (SPD), der im März 2008 zum UN-Sonderbeauftragten für Sport ernannt worden war, stieg M. am 7. Mai 2008 zum Senator für Inneres und Sport der Freien Hansestadt Bremen auf.

Bei der politischen Einordnung M.s zeigten sich Kommentatoren unentschieden, da er einerseits "linke" Anliegen verfolgte, aber auch strenge ordnungspolitische Maßnahmen forderte. Bald nach seinem Amtsantritt stoppte er die Überwachung der in die Bürgerschaft eingezogenen LINKEN durch den Verfassungsschutz und setzte sich dafür ein, die kontrollierte Abgabe von Heroin an Schwerstabhängige zu legalisieren. Auch als Befürworter einer doppelten Staatsbürgerschaft für in Deutschland geborene Ausländer positionierte er sich eher im linken Flügel seiner Partei. Nach dem Amoklauf eines Jugendlichen im baden-württembergischen Winnenden im März 2009 forderte M. drastische Einschränkungen des Waffenrechts.

Im Jan. 2009 übernahm M. turnusgemäß für ein Jahr den Vorsitz der Innenministerkonferenz (IMK). Als Schwerpunkte seiner Amtszeit nannte er den Rechtsextremismus, Terrorismus sowie Jugend- und Wirtschaftskriminalität. Anlässlich einer IMK in Bremerhaven im Juni 2009 beklagte M. "bürgerkriegsähnliche Zustände" bei Demonstrationen und Fußballspielen und sprach sich für einen besseren Schutz für Polizeibeamte aus, die immer "massiverer Gewalt" ausgesetzt seien (WELT, 2.6.2009). Vor einer IMK im Dez. 2009 in Bremen wurde ein Dienstfahrzeug aus M.s Fuhrpark in Brand gesetzt, auch wurden Farbbeutel auf sein Dienstgebäude geworfen. Die Polizei vermutete hinter dem Anschlag Proteste gegen die IMK (vgl. SZ, 2.12.2009). Im Sept. 2010 warb M. bei seinen IMK-Länderkollegen für das neue gelockerte Bremer Ausländerrecht, das Kindern von geduldeten Familien das Bleiberecht einräumte (vgl. SZ, 24.10.2010).

Im Febr. 2010 übernahm M. nach dem Rücktritt von Wirtschafts- und Justizsenator Ralf Nagel (SPD), vorübergehend das Ressort Wirtschaft und Häfen, den Geschäftsbereich Justiz leitete Schulsenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD).

Zweite Amtszeit als Innen- und SportsenatorBei der Bürgerschaftswahl am 22. Mai 2011 konnte die regierende rot-grüne Koalition unter Jens Böhrnsen (SPD), der seit 2005 als Bürgermeister und Präsident des Senats die Geschicke des kleinsten Bundeslandes lenkte, ihre Mehrheit ausbauen. Auf ihrer konstituierenden Sitzung am 30. Juni 2011 wählte die Bremische Bürgerschaft den neuen Senat, in dem M. Senator für Inneres und Sport blieb.

Für bundesweites Aufsehen und heftige Kritik der Deutschen Fußball-Liga (DFL), des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und des Bremer Bundesliga-Fußballvereins Werder Bremen sorgte ein von M. initiiertes und vom rot-grünen Senat beschlossenes neues Gebührenrecht im Juli 2014, das es Bremen gestattete, künftig bei gewinnorientierten Großveranstaltungen den Organisatoren die Kosten für den verstärkten Einsatz der Polizei in Rechnung zu stellen. Die Süddeutsche Zeitung (12.11.2014) sah in der neuen Gebührenordnung einen "kreativen Umgang mit knappen Kassen" - Bremen hatte zu diesem Zeitpunkt mit 20 Mrd. Euro Schulden die höchste Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland. Letztinstanzlich wurde eine DFL-Klage gegen die neue Gebührenordnung bei "kommerziellen Hochrisiko-Veranstaltungen" durch das Bundesverwaltungsgericht im März 2019 abgewiesen.

Anfang Dez. 2014 ließ M. eine Anlaufstelle für radikalislamische Salafisten in Bremen schließen - das "erste Verbot eines Moscheevereins in Deutschland seit 2005". Damit galt Bremen "als Vorbild der Terror-Prophylaxe" (SZ, 8.12.2014). Im Febr./März 2015 geriet M. dann im Zusammenhang mit einem Großeinsatz der Bremer Polizei nach einer Terrorwarnung in die Kritik, als die Polizei mit großem Aufwand, aber ohne Erfolg, ein islamisches Kulturzentrum durchsuchte und schwer bewaffnete Kräfte zentrale Punkte der Stadt sicherten. M. räumte später "schwere Polizeifehler" ein. Die CDU und DIE LINKE forderten seinen Rücktritt und beantragten in der Bürgerschaft einen Untersuchungsausschuss.

Weitere Amtszeiten als InnensenatorBei der Bürgerschaftswahl am 10. Mai 2015 erhielt die SPD nur noch 32,8 % der Stimmen, die GRÜNEN rutschten auf 15,1 % ab. Beide setzten aber ihre Koalition fort. Nachdem Regierungschef Böhrnsen (SPD) aufgrund des schlechten Wahlergebnisses zurückgetreten war, wählte die Bremer Bürgerschaft am 17. Juli 2015 Carsten Sieling (SPD) zu seinem Nachfolger. M., der wegen der Pannen beim Anti-Terroreinsatz (s. o.) als "höchst umstritten" galt (taz, 16.7.2015), blieb Innensenator (47 von 82 Stimmen, drei mehr, als die Regierungskoalition hat), gab aber den Bereich Sport an Anja Stahmann (GRÜNE) ab.

Im Juli 2015 kam es erneut zu einem Anschlag mit Pflastersteinen und Farbbeuteln auf das Dienstgebäude von M., zu dem sich eine "autonome Gruppe" bekannte. Diese wollte damit gegen die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik protestieren.

Erneuten Rücktrittsforderungen von CDU, GRÜNEN und FDP in der Bürgerschaft sah sich M. gegenüber, als im Okt. 2018 durch das Video einer Bürgerschaftsdebatte seine Äußerungen zur Gewalt israelischer Soldaten gegen Palästinenser - er sprach von "Hinrichtungen" im Gazastreifen - öffentlich geworden waren. Später entschuldigte er sich für die Wortwahl, nahm aber in der Sache nichts zurück (vgl. WELT, 9.10.2018).

Bei der Bürgerschaftswahl am 26. Mai 2019 rutschte die SPD auf ein neues Rekordtief von nur noch 24,9 % der Stimmen ab. Damit fiel die Partei erstmals seit 1946 hinter die CDU zurück, die mit 26,7 % stärkste Kraft wurde. Trotz der historischen Niederlage übernahm die SPD wieder die Führung einer Regierung, da sich die Sozialdemokraten mit den GRÜNEN und der LINKEN (zus. 49 von 84 Sitzen) auf die Bildung einer Koalition einigen konnten, dem ersten rot-grün-roten Bündnis in einem westdeutschen Bundesland. Am 15. Aug. 2019 wählte die Bürgerschaft den neuen SPD-Landesvorsitzenden Andreas Bovenschulte zum Bürgermeister und Präsidenten des Senats der Freien Hansestadt Bremen. M., der "mittlerweile zum populärsten Politiker des Zwei-Städte-Staates aufgestiegen" sei (FAZ, 30.3.2019), blieb als dienstältestes Kabinettsmitglied Innensenator, zudem zog er wieder als Abgeordneter in das Bremer Landesparlament ein.

In den folgenden Jahren trieb M. die bereits seit 2017 laufende Bremer Polizeireform, die v. a. eine Aufstockung der Personalstärke von rund 2500 auf 2900 Beamtinnen und Beamten sowie eine Zentralisierung der Verwaltungsstrukturen, die Schaffung neuer Großrevierstandorte und den Aufbau eines unterstützenden Ordnungsdienstes umfasste, voran.

Ein Schwerpunktthema seines Ressorts war laut M. auch die Bekämpfung des Rechtsextremismus. 2020 wurden rechtsextreme, rassistische und sexistische Äußerungen und Verhaltensweisen bei der Bremer Berufsfeuerwehr, zu der zu dem Zeitpunkt etwa 600 Angestellte zählten, bekannt (vgl. SZ, 25.11.2020). M. übernahm im Nov. 2020, bevor der im Febr. 2021 eingestellte Brandmeister Philipp Heßemer ihn ablöste, vorübergehend die Leitung der Feuerwehr und begründete dies mit der Aussage, er habe "in Krisen damit die besten Erfahrungen gemacht, wenn man sich selbst vor Ort der Dinge annimmt" (zit. n. feuerwehrmagazin.de, 24.2.2021).

Ein weiteres Kernanliegen M.s war der Kampf gegen die Macht von Glücksspielkonzernen. So schlug er mit Hinweis auf die Suchtgefahr bei der Herbstkonferenz der Innenminister 2021 ein Verbot des Sportsponsorings für Glücksspielanbieter vor. In Bremen verfügte er im Juli 2022 die Schließung aller Wettbüros, die nicht nachweisen konnten, woher ihr Gründungskapital stammte; etliche verloren daraufhin ihre Genehmigung (vgl. SPIEGEL, 27.7.2022). Zudem setzte M. durch, dass in Bremen ab Juli 2023 zwischen Glücksspielstätten ein Mindestabstand von 500 Metern (statt vorher 250) einzuhalten war, und diese außerdem zum Schutz junger Menschen mindestens einen halben Kilometer von Schulen entfernt sein mussten (vgl. taz, 23.8.2023). Im Zusammenhang mit der Entscheidung der englischen Premier League, ab der Saison 2026/2027 keine Trikotwerbung von Wettanbietern mehr zu erlauben, griff M. das Thema erneut auf und betonte, sein Ziel sei weiterhin, die Werbung für Sportwetten generell zu verbieten (vgl. wallstreet-online.de, 15.4.2023).

Vierte Bestätigung im AmtAus den Bürgerschaftswahlen im Mai 2023 ging die SPD mit 29,8 % der Stimmen und deutlichen Zugewinnen als Wahlsiegerin hervor. Am 5. Juli 2023 wählte die Bremische Bürgerschaft SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte mit den Stimmen von 49 der 86 anwesenden Abgeordneten bei 37 Gegenstimmen erneut zum Regierungschef einer Koalition aus SPD, GRÜNEN und LINKE. Stellvertretender Bürgermeister und Finanzsenator wurde Björn Fecker (GRÜNE). M., zum Zeitpunkt der Wahl 71 Jahre alt, blieb Senator für Inneres und übernahm auch wieder die Zuständigkeit für den Sport.

Familie

M. ist verheiratet und hat mit seiner Frau Brigitte Wohner-Mäurer zwei Kinder. M., der sich als Fan "klassischer Rockmusik" bezeichnet, treibt in seiner Freizeit regelmäßig Radsport. So nahm er u. a. im Sept. 2008 am Jedermann-Rennen auf der letzten Etappe der Deutschland-Tour teil.

Auszeichnungen

Auszeichnung: Positivpreis des Steuerzahlerbundes für Mut und Entschlossenheit in der Politik (21).

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften/Ämter u. a.: Aufsichtsratsmitglied der Bremer Toto und Lotto Gesellschaft sowie der Bremer Weserstadiongesellschaft.

Adresse

c/o Senator für Inneres und Sport, Contrescarpe 22/24, 28203 Bremen, Tel.: 0421 3619002, E-Mail: rose.Gerdts-Schiffler@inneres.bremen.de, Internet: www.inneres.bremen.de




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