von Riki Winter
Als Maria Erlenbergers Bericht „Der Hunger nach Wahnsinn“ im Jahr 1977 erschien, formulierten die Rezensenten in seltener Einigkeit ihre Betroffenheit über ein Buch, das zu den „aufregendsten Berichten“ gehöre, die je über Psychiatrie geschrieben wurden, und das, so Michael Krüger, „in der Geschichte der literarischen Selbstentblößung eine zentrale Stelle einnehmen“ werde. Und in der Tat liest sich dieser Bericht wie eine literarische „Illustration“ psychiatriekritischer Studien und Analysen. Der Autorin gelang es hier mit einem bis zur Radikalität gesteigerten Realismus, dessen objektive Gültigkeit sich allein aus der Authentizität subjektiver Erfahrung nährt, einen Text vorzulegen, der die Betroffenheit des Lesers bis zur Verunsicherung zu steigern imstande ist. Die Geisteskrankheit, die psychische Krankheit wird zum Irrersein an einer Welt, die selbst verrückt ist, weil sie den Menschen seiner Glücksvorstellungen, der Erfüllung seiner Liebesbedürfnisse und seiner Entfaltungsmöglichkeiten entfremdet hat. Der Vernunft, die heute in der Form einer alles umfassenden Zweckrationalität den Menschen und seine Lebensäußerungen auf ein den ökonomischen Erfordernissen zurechtgeschneidertes Maß eingeengt hat, war es schon früh gelungen, den Dialog mit jenen vitalen Energien des Menschen abzubrechen, die sich gegen eine Internalisierung disziplinierender Zivilisationstechniken zu sperren anschickten. Die Installierung der ...