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Nation: | Indien |
von Martina Ghosh-Schellhorn
Stand: 01.10.2006
Als ein dem Realismus verschriebener Autor legt Amitav Ghosh großen Wert auf eine mimetisch einwandfreie Erzählwelt, die sich an Modellen der russischen, der spätviktorianisch-britischen, aber vor allem seiner muttersprachlichen bengalischen Literatur (u.a. Rabindranath Tagore) orientiert. In dieser Grundhaltung unterscheidet Ghosh sich deutlich von seinem Mitstreiter Salman Rushdie, obwohl beide gleichermaßen von Migrantenschicksalen erzählen. Rushdie geht es darum, den post-kolonialen Ort zu zelebrieren, an dem sich, laut dem indischen Kulturwissenschaftler Homi Bhabha, „hybride“ Menschen eine neue Heimat schaffen. Ghosh hingegen zeigt auf, dass die ehemaligen Kolonien sehr wohl alte Heimatländer sind, die durch die Briten politisch gespalten wurden. Anders als Rushdie macht Ghosh die persönlichen Beziehungen zwischen Indern und ihren ehemaligen Kolonisatoren nur in einem seiner Romane zum Hauptthema, und zwar in „Schattenlinien“ (1988).
Im Mittelpunkt von Ghoshs Interesse stehen sowohl das Leben indischer Migranten in der durch die britische Kolonialpolitik entstandenen indischen Handelsdiaspora, etwa in Birma und Malaysia (so in „Der Glaspalast“, 2000), als auch die nach der Unabhängigkeit Indiens einsetzende Auswanderung hoch qualifizierter Arbeitskräfte in die westlichen Industrieländer. Die Schauplätze von Ghoshs Romanen dienen dazu, vor allem ...