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Nation: | Polen |
von Georg Mrugalla
Stand: 15.02.2021
Olga Tokarczuk gehört jener polnischen Schriftstellergeneration an, die nicht nur gegen die offizielle Zensur des kommunistischen Staats protestierte, sondern sich auch von der politisch engagierten Literatur distanzierte, die oppositionelle Schriftsteller forderten. Tokarczuks Weltsicht prägte nicht die nationalpatriotische Tradition, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit dem europäischen Kulturerbe sowie ein Interesse an internationalen Geistesströmungen der Gegenwart. Ihre Texte geben einer esoterisch-okkulten Tradition Raum, die neben dem logisch-diskursiven Kausaldenken in der westlichen Zivilisation vorhanden ist. Die Autorin versucht, aus dichotomen Denkkategorien auszubrechen und ein binäres Wertesystem zu überwinden.
Dem postmodernen Denken zugeneigt, stellt Tokarczuk die Wirklichkeit aus einer synkretistischen Perspektive dar. In diesem „Dissens von Meinungen“ werden die verschiedenen religiösen und philosophischen Äußerungen als gleichberechtigte Geisteshaltungen aufgefasst. Außerdem werden die Kategorien von Wahrheit und Irrtum relativiert, Fantasie und Wirklichkeit einander angenähert. Dazu bedient sie sich Paralogismen und Paradoxien. Die verwendeten Gestaltungsmittel Ambivalenz, Ambiguität und Androgynität negieren jedes Entweder-Oder.
In Tokarczuks Texten spiegeln sich die Theorien eines „radikalen Konstruktivismus“ (alle Erkenntnis ist nur relativ, nicht allgemein gültig), eines „Nominalismus“ (Begriffe sind nur subjektive Bewusstseinsgebilde) und einer neuen Form des „Irrationalismus“ (das Gefühl hat Vorrang vor ...