Geburtstag: | |
Nation: | Indien |
von Miriam Nandi
Stand: 01.06.2006
„Der Gott der kleinen Dinge“ (1997) ist Arundhati Roys erster Roman. Er spielt im südindischen Kerala der 1960er Jahre und erzählt in einer sensiblen und bildreichen Sprache die Geschichte einer indischen Familie, die am Tod eines Kindes und über einer unglücklichen Liebe zerbricht. Der Titel ist programmatisch: Es sind die unscheinbaren Dinge, auf die die Erzählerin aufmerksam macht – eine Uhr, auf die die Zeit nur aufgemalt ist, die schimmernden Messinggriffe eines Kindersargs, die Träume zweier kleiner Kinder, Fliegen, die gegen Fensterscheiben prallen und „verdutzt in der Sonne sterben“. Roys Roman wertet die „kleinen Dinge“ auf. Er ist eine Feier alltäglicher Details, die in den Augen der kindlichen Protagonisten zu magischen Phänomenen werden. Letztlich sind es jedoch die ‚großen‘ Dinge, die über die kleinen triumphieren: Die Liebe zwischen der Christin Ammu und dem „Unberührbaren“ Velutha wird durch das unerbittliche indische Kastensystem zerstört. Der Minderwertigkeitskomplex der indischen Mittelklasse gegenüber den Engländern, ein Erbe des Kolonialismus, vernichtet die Identität der Protagonisten. Durch den Blickwinkel der verstörten Kinder werden die großen Themen des unabhängigen Indien – das koloniale Erbe, Kastenkonflikte und politische Instabilität – zu ...