Geburtstag: | |
Nation: | Großbritannien |
von Eberhard Kreutzer
Stand: 01.06.2006
Die Affäre um Rushdie hat zeitweilig den Blick auf die literarische Bedeutung des Autors verstellt. Rushdie ist nicht nur die kontroverse Persönlichkeit und Projektionsfigur in einer weltweit geführten interkulturellen Debatte, sondern auch der herausragende Autor der global verbreiteten indischen Diaspora sowie ein Hauptrepräsentant der – nicht nur englischsprachigen – postkolonialen Literaturen. Gleichgültig, ob man sein Erzählwerk der anglophonen Literatur Indiens, der asiatischen Minoritätenliteratur Großbritanniens oder einer sich abzeichnenden neuen Weltliteratur transnationaler Migranten zuordnet, Rushdie hat auf jeden Fall innovative Maßstäbe gesetzt und nachhaltigen Einfluss ausgeübt.
Der Autor von „Mitternachtskinder“ (1981) hat sich von den im modernen indischen Roman jahrzehntelang vorherrschenden Konventionen eines letztlich viktorianischen Realismus abgesetzt, indem er ein Realismus und Fantastik verbindendes Erzählkonzept entwickelte, die archaischen Verfahren der einheimischen mündlichen Erzähltradition mit spielerisch-selbstreflexiven Darstellungsmethoden der internationalen Postmoderne verband und eine dem komplexen Indienbild entsprechende nuancenreiche Sprache verwandte. Er konnte so einer jüngeren Generation indischer Autoren wie Amitav Ghosh oder Arundhati Roy richtungweisende Impulse geben. Zugleich hat er in England Autorinnen wie Angela Carter oder Emma Tennant, die eine neuartige Erzählprosa erprobten, Auftrieb gegeben und nach Autoren wie V.S. Naipaul ...