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Nation: | Italien |
von Thomas Bremer
Stand: 01.11.1991
Das Buch, das Pier Paolo Pasolini am treffendsten charakterisiert, erschien zwei Jahre nach seinem Tod und heißt schlicht „Cronica giudiziaria“ (Justizchronik). Es enthält kommentierte Aktenauszüge all jener Verfahren, deren Gegenstand Pasolini im Laufe seines Lebens war. Insgesamt sind es, das Verfahren um seine Ermordung mitgerechnet, neunundsiebzig noch rekonstruierbare Prozesse, fast alle angesiedelt am Schnittpunkt von Sexualität, Kunst und politischer Meinung. Lebensentscheidende sind darunter wie das Verfahren, das den Tod seines Bruders Guido klären sollte (Widerstandskämpfer, der von eigenen, aber politisch anders orientierten Leuten erschossen wurde), oder der erste von mehreren Prozessen wegen homosexueller „Verführung Minderjähriger“ (Prozeß, der zwar mit einem Freispruch endete, trotzdem aber mit der Entlassung aus dem Schuldienst und dem Ausschluß aus der Kommunistischen Partei wegen „moralischer Unwürdigkeit“ und „bürgerlicher Beeinflussung durch die Herren Gide und Sartre“); groteske Prozesse sind darunter wie der sieben Jahre dauernde (!) wegen eines Raubüberfalls auf einen Tankwart, den er „mit einer Pistole mit goldener Kugel“ (!) bedroht und um fünfzehn (!) Mark beraubt haben soll (Aussage, die im Italien des Jahres 1961 tatsächlich für eine Anklage ausreichte, ...