Geburtstag: | |
Todestag: | |
Nation: | Argentinien |
von Eberhard Geisler
Stand: 01.11.1986
Die deutsche Borges-Rezeption ist verspätet. Mittlerweile liegt eine deutsche Gesamtausgabe vor, die das Wesentliche enthält, die kommentiert und auch vom Äußeren sympathisch und lesefreundlich ist; aber die Verlage haben eingestandenermaßen erst reagiert, als der Erfolg des Autors in Frankreich und Italien nicht mehr zu übersehen war. Das ist kein Vorwurf: die kulturellen Beziehungen zu Lateinamerika sind in Paris seit Jahrzehnten viel entwickelter und selbstverständlicher als in Deutschland. Bezeichnende Provinzialität äußert sich noch in einer Kritik aus dem Jahre 1960, als man zu begreifen begann und es offenherzig aussprach, daß dieser Argentinier entgegen eigenen Erwartungen keinesfalls provinziell war: „Borges ist ein Dichter von großem, ja von Weltformat, den wir südlich des Amazonas nicht hätten vermuten können“. Rührend auch, wie man ihn um diese Zeit erst einmal erleichtert als „ganz deutsch“ und „deutschen Philosophen“ vereinnahmt hat, wohl weil man Metaphysik „südlich des Amazonas“ eben doch insgeheim für ein Unding hielt, und Borges selbst denn auch neben der Sprachmusik englischer Literatur das Schopenhauersche Denken unter seine nachdrücklichsten Erfahrungen rechnet. Der Beginn der eigentlichen Rezeption dürfte mit Marianne Kestings ...