Ludwig "Luggi" Leitner war in den sechziger Jahren der erfolgreichste deutsche Skirennläufer. Der gebürtige Österreicher nahm zwischen 1958 und 1968 an insgesamt sechs Großveranstaltungen teil, trat in allen Disziplinen an und verzeichnete dabei nicht einen einzigen Ausfall. Die Krönung seiner Laufbahn war der WM-Titel in der Kombination im Rahmen der Olympischen Spiele 1964 in Innsbruck, die angestrebte Olympiamedaille verpasste der Kleinwalsertaler allerdings dreimal.
Laufbahn
Mit drei Jahren stand Luggi Leitner zum ersten Mal auf Skiern, die Begeisterung für den Rennsport wurde bei ihm wie bei seinen beiden Brüdern Adalbert und Reinhard bereits in der Schule geweckt, als sie bei diversen Schülerrennen immer wieder erfolgreich waren. Weil der Kleinwalsertaler Skiklub dem Deutschen Ski Verband (DSV) angehörte, starteten die drei Leitner-Burschen aus Mittelberg als Jugendliche für Deutschland. Als die Kleinwalsertaler Skiläufer auch für den Österreichischen Ski Verband (ÖSV) startberechtigt wurden, blieb nur Luggi Leitner seiner sportlichen Heimat auch treu. Er empfand die Trainingsbedingungen im DSV vorzüglich und zog einen Wechsel nach Österreich gar nicht erst in Erwägung.
Die großartige körperliche Konstitution erwarb sich der Kleinwalsertaler allerdings im Rahmen der vielfältigen Arbeiten auf dem elterlichen Bauernhof, den er praktisch allein mit seinen Brüdern zu betreuen hatte, da der Vater während des Krieges im Kaukasus gefallen war. Jahrelang fuhr er im Winter das Heu auf den Schultern ins Tal und holte sich dabei "seine unter den alpinen Skiläufern der ganzen Welt einmalige Kraft" (Heinz Maegerlein, Könige der Piste, 1964).
Seine ersten internationalen Auftritte hatte Luggi Leitner bei den Weltmeisterschaften 1958 in Badgastein, wo der 18-Jährige als Achter auf Anhieb seine Qualitäten als Kombinierer unter Beweis stellte. Im gleichen Jahr gewann er die ersten seiner insgesamt 16 deutschen Meistertitel und holte sich bei einem Riesenslalom in Cervinia auch seinen ersten bedeutenden internationalen Sieg, so dass er in kürzester Zeit zur Leitfigur im DSV-Team avancierte.
Um 1960 bei den Olympischen Spielen in Squaw Valley startberechtigt zu sein, erwarb der Kleinwalsertaler schließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Als Slalom-Vierter verpasste er dann an seinem 20. Geburtstag nur knapp eine Medaille. Im Winter 1960/61 gewann Leitner den Slalom beim "Kriterium des ersten Schnees" in Val d'Isère, verzeichnete ansonsten allerdings nur wenige Spitzenplätze.
1962 holte sich Luggi Leitner endlich seine erste Medaille bei einem Großereignis: In der Kombination der Weltmeisterschaften in Chamonix musste er sich nur den Österreichern Karl Schranz und Gerhard Nenning geschlagen geben und gewann Bronze. Das beste Einzelergebnis erreichte der exzellente Techniker einmal mehr im Slalom. In der Saison 1962/63 gewann der 23-jährige Mittelberger anlässlich der Hahnenkammrennen in Kitzbühel den Slalom am gefürchteten Ganslernhang. Dass er allerdings in allen Disziplinen zu den Sieganwärtern zählte, bewies er mit dem Abfahrtserfolg anlässlich der Arlberg-Kandahar-Rennen in Chamonix.
Im Olympiawinter 1963/64 empfahl sich Luggi Leitner mit einem Erfolg beim Lauberhorn-Slalom in Wengen, womit er zeigte, dass er exakt zum richtigen Zeitpunkt in Hochform gekommen war. In Innsbruck verpasste er vorerst als Abfahrts-Fünfter und als Achter im Riesenslalom die angestrebten Olympiamedaillen. Das wollte er im Slalom nachholen, und tatsächlich fuhr Luggi Leitner in der Axamer Lizum ein sensationelles Rennen. Obwohl er im ersten Durchgang an einer Torstange hängen blieb und zurücksteigen musste, erzielte er mit nur zwei Sekunden Rückstand noch die achtbeste Laufzeit. In der Entscheidung riskierte der Draufgänger wie immer alles, sah nach einer sensationellen Fahrt schon wie der sichere Olympiasieger aus, ehe er fünf Tore vor dem Ziel einen zeitraubenden Steher hatte. Die Enttäuschung über die erneut verpasste Olympiamedaille war groß, wich aber wenig später doch noch zumindest verhaltener Freude, als sich herausstellte, dass er die alpine Dreier-Kombination gewonnen hatte, für die es allerdings nur WM-Medaillen gab.
Ausgerechnet im Winter 1964/65, in dem es weder Olympische Spiele noch Weltmeisterschaften gab, absolvierte der 1,84 m große und 76 kg schwere Kleinwalsertaler seine beste Saison. Urplötzlich erzielte er auch in der Abfahrt herausragende Resultate, gewann sowohl auf der Streif in Kitzbühel als auch in Mégève. Bei den Kandahar-Rennen in St. Anton belegte er in Slalom und Kombination jeweils Rang drei. Der ungewöhnliche WM-Winter 1965/66 mit dem "sommerlichen" Saisonhöhepunkt im chilenischen Portillo brachte dem 26-jährigen Allrounder die nächste Medaille - fast schon traditionell in der Kombination. Am nächsten kam Luggi Leitner einer Einzelmedaille im Slalom, wo es schon in der "Hauptsaison" anlässlich der Tre-Tre-Rennen in Madonna di Campiglio den einzigen Sieg des Winters gegeben hatte.
Dank seiner Vielseitigkeit hatte man den Kleinwalsertaler zu Beginn des ersten Weltcupwinters 1966/67 durchaus auf einem vorderen Rang erwartet, letztlich verlief das Premierenjahr allerdings sehr enttäuschend. Denn Luggi Leitner gelang während der gesamten Saison keine einzige Platzierung in den Punkterängen (damals allerdings nur die Top ten). Es schien, als machten sich nach zehn Jahren in der Weltspitze doch erste Verschleißerscheinungen bemerkbar, hatte er doch immer Kopf und Kragen riskiert und dabei auch eine Reihe schwerer Verletzungen erlitten. Zudem war der angehende Hotelier durch den Bau seiner Pension in Mittelberg auch abseits des Sports ziemlich gefordert.
Im Olympiawinter 1967/68 wollte es Leitner aber doch noch einmal wissen und zum Abschluss seiner Karriere die sehnlichst herbeigewünschte Einzelmedaille bei Olympia gewinnen. Dass er auch im zweiten Weltcupjahr nur einmal (als Siebter auf der Kitzbüheler Streif) Weltcuppunkte erobern konnte, zeigte schon, dass die Realisierung dieses Zieles im Rahmen der Olympischen Spiele sehr schwierig sein würde. Tatsächlich konnte Luggi Leitner in Grenoble nicht mehr an die Form früherer Jahre anschließen und musste sich in allen Einzelrennen mit Platzierungen außerhalb der Top ten begnügen. Da war diesmal auch der fünfte Platz in der Kombination kein Trost. Im März 1968 nahm der 28-Jährige dann bei den Deutschen Meisterschaften, die ihm den sechzehnten Titel brachten, Abschied vom aktiven Sport. Dass er in Anerkennung seiner zahlreichen Erfolge mit dem nur selten vergebenen diamantenen Arlberg-Kandahar-Abzeichen ausgezeichnet wurde, war für ihn eine Entschädigung für entgangene Olympiamedaillen.
Persönliches
Luggi Leitner wuchs in Mittelberg im Kleinen Walsertal auf, war als Bewohner dieses abgelegenen und wirtschaftlich an Deutschland angeschlossenen Tales zwar Österreicher, tendierte aber sportlich von klein auf nach Deutschland, was er mit dem Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft auch legalisierte. Nach dem frühen Tod des Vaters im Zweiten Weltkrieg hatte er mit seinen beiden Brüdern früh im elterlichen Hof mitzuhelfen. Nicht zuletzt wegen seiner kärglichen Kindheit und Jugend blieb der stets gutgelaunte Mittelberger immer äußerst bescheiden, auch später, als es ihm als Hotelier besser ging.
Dass Luggi Leitner neben der Arbeit in seinem Mitte der sechziger Jahre fertiggestellten Hotel den Rennsport bis 1968 weiter ausüben konnte, war nur durch die tatkräftige Unterstützung seitens seiner Ehefrau Renate möglich. Als dann im Olympiajahr Tochter Sandra zur Welt kam, hielt er den Zeitpunkt zum Aufhören für gekommen. Er wollte seine Frau entlasten und sich vermehrt selbst um den Hotelbetrieb kümmern, daher gab er den Sport auf. 1972 wurde die Familie durch Sohn Michael komplettiert, der sich später kurzzeitig ebenfalls als Rennläufer versuchte.
Dem Sport blieb der Kleinwalsertaler aber weiterhin verbunden, wenn auch nur hobbymäßig. Neben dem Skifahren zählt das Klettern und Wandern in den Bergen nach wie vor zu seinen bevorzugten Freizeitaktivitäten, nachdem er früher auch mit Begeisterung Fußball und Tennis gespielt hatte.
21. März 2013: Der frühere Skirennläufer Ludwig Leitner stirbt im Alter von 63 Jahren in Mittelberg. Leitner wurde 1964 Weltmeister in der Kombination und gewann ebenfalls in der Kombination zwei Mal WM-Bronze (1962, 1966).
Karriere in Zahlen
Erfolge:
Olympische Spiele:
1960: |
Vierter Slalom, Elfter Abfahrt, 18. Riesenslalom |
1964: |
Fünfter Abfahrt, Fünfter Slalom, Achter Riesenslalom |
1968: |
Zwölfter Abfahrt, Zwölfter Slalom, 23. Riesenslalom |
Weltmeisterschaften:
1958: |
Achter Kombination, Neunter Slalom, 14. Abfahrt, 26. Riesenslalom |
1960: |
Fünfter Kombination, Vierter Slalom, Elfter Abfahrt, 18. Riesenslalom |
1962: |
Dritter Kombination, Fünfter Slalom, 16. Abfahrt, Zehnter Riesenslalom |
1964: |
Sieger Kombination, Fünfter Slalom, Fünfter Abfahrt, Achter Riesenslalom |
1966: |
Dritter Kombination, Fünfter Slalom, 16. Abfahrt, 17. Riesenslalom |
1968: |
Fünfter Kombination, Zwölfter Slalom, Zwölfter Abfahrt, 23. Riesenslalom |
Weltcup:
FIS-Rennen:
Sieger: |
Cervinia 58 RS; Bad Wiessee 59 Sl; Adelboden 60 Sl und RS; Val d'Isère 61 Sl; Navacerrada (GP von Spanien) 62 Sl; Kitzbühel 63 Sl; Kleinwalsertal 63 RS; Chamonix 63 Ab (AK); Wengen 64 Sl; Kitzbühel 65 Ab; Mégève 65 Ab; Ortisei 65 Ab und K; Madonna 66 Sl; |
Zweiter: |
Sestriere 60 Sl und K (AK); Val d'Isère 62 Sl; Madonna 63 Sl; Kleinwalsertal 63 Sl; Chamonix 63 Sl (AK); Wengen 64 K; Kitzbühel 65 K; Madonna 66 RS; |
Dritter: |
Oslo 58 Sl und K; Kitzbühel 61 Sl; Val d'Isère 62 K; Chamonix 63 K (AK); Wengen 64 RS; St. Anton 65 Sl und K (AK); Madonna 66 K; Kranjska Gora 66 Sl; Mürren 66 Sl (AK); |
Weitere wichtige Erfolge:
16facher Deutscher Meister (je viermal in Slalom, Riesenslalom, Abfahrt und Kombination) |