Klaus Tolksdorf
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Internationales Biographisches Archiv
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW
Klaus Tolksdorf wurde am 14. Nov. 1948 in Gelsenkirchen geboren. Sein Vater Herbert war Vizepräsident des Bundeskriminalamts. T. wuchs zunächst in Münster und nach Amtsantritt seines Vaters in Wiesbaden auf.
Nach dem Abitur in Wiesbaden (1967) besuchte T. die Polizeischule in Münster. Noch während seines Dienstes als Polizeibeamter im Streifendienst, den er 1970 quittierte, begann er in Bonn ein Jurastudium und schloss in beiden Examina mit der seltenen Bestnote "Eins" ab. 1988 promovierte er an der Westfälischen Wilhelm-Universität (WWU) in Münster bei dem als liberal geltenden Strafrechtsprofessor
Nach dem Zweiten Staatsexamen (1978) war T. als Richter zunächst am Landgericht Bonn, später in Münster und ab 1988 am Oberlandesgericht Hamm tätig. Während der Promotion arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, der obersten Instanz in Zivil- und Strafverfahren, und danach bis 1991 beim Bundesverfassungsgericht. Ab 1992 gehörte T. als Richter dem 4. Strafsenat und 1995-2006 auch dem Großen Senat für Strafsachen am BGH an. 1997 wurde er zugleich Präsidialrichter.
Vorsitzender des 3. Strafsenats am BGH 2001-2008Im 3. Strafsenat am BGH, dessen Vorsitz er 2001 übernahm, war T. für Revisionen in Verfahren der allgemeinen Kriminalität und insbesondere für Staatsschutzsachen zuständig. Dort erwarb er sich den Ruf eines äußerst peniblen, pragmatischen, Kompromissen eher abgeneigten, Richters, der sich streng an rechtsstaatliche Grundsätze hielt und gegen öffentlichen Druck oder politische Erwartungshaltungen weitgehend immun blieb. Der parteilose T. zählte zu den profiliertesten Strafrichtern des BGH, führte seine Verhandlungen stets souverän, "mit leichter Ironie, aber auch mit gedanklicher Schärfe" (taz, 20.10.2005), und verstand es, das Ringen um Gerechtigkeit im abschließenden Urteil anschaulich darzulegen. Seine Betonung von Distanz und Gelassenheit trug T. bisweilen die Kritik ein, zu sehr an der reinen Lehre orientiert bzw. "neutral bis zur Farblosigkeit" (Hbl., 21.12.2005) zu sein. Andere bescheinigten ihm, in seinen Urteilsverkündungen einen neuen Stil mit griffigen Formulierungen geprägt zu haben, was sich auch darin zeigte, dass sie Jahre später noch in den Medien zitiert wurden.
Internationale Beachtung fand die spektakuläre Entscheidung des 3. Senats im März 2004, das weltweit erste Urteil wegen der islamistischen Terroranschläge vom 11. Sept. 2001 gegen den in Deutschland lebenden Marokkaner Mounir el-Motassadeq (15 Jahre Haft) wieder aufzuheben. T. beanstandete Mängel in der Beweiswürdigung des OLG Hamburg, weil dem Angeklagten durch die restriktive Haltung der von den Anschlägen betroffenen USA ein möglicher Entlastungszeuge vorenthalten worden sei. Sein im Urteil geäußerter Satz "Für staatliche Gerichte kann der Kampf gegen den Terrorismus nicht einen ungeregelten, wilden Krieg bedeuten", der als Seitenhieb gegen die USA gedeutet wurde, fand sich am nächsten Tag in der New York Times wieder. Im Juni 2005 bestätigte T. den Freispruch des Hamburger Gerichts für den Angeklagten Abdelghani Mzoudi aus Mangel an Beweisen und kommentierte, eine "Sonderregelung" für Terrorverdächtige dürfe es nicht geben (SZ, 10.6.2005).
Ein großes Medienecho löste im Dez. 2005 auch das Revisionsurteil im sog. Mannesmann-Prozess aus, das T. auf die prägnante Formel brachte, Aufsichtsräte und Vorstände eines Unternehmens seien "nicht Gutsherren, sondern Gutsverwalter" (FAZ, 4.12.2006). In dem Prozess ging es um strittige Sonderprämien und Abfindungen für ehemalige Manager der Mannesmann AG, die kurz vor der Übernahme des Konzerns durch Vodafone (2000) im Aufsichtsrat genehmigt wurden. 2004 hatte das LG Düsseldorf u. a. den fr. Vorstandschef
Internationale Anerkennung wurde T. zuteil, als ihn die UN-Vollversammlung im Aug. 2005 zum Ad-litem-(Ergänzungs-)Richter beim Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag wählte. Der auch als "UN-Kriegsverbrechertribunal" bekannte Ad-hoc-Gerichtshof diente der Verfolgung der seit 1991 in den Jugoslawienkriegen begangenen Verbrechen. Zudem war T. ab 1994 als Lehrbeauftragter an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der WWU in Münster tätig; seine Besprechungen neuerer Entscheidungen des BGH waren seitdem fester Bestandteil des strafrechtlichen Lehrprogramms der Fakultät. 1999 ernannte ihn die WWU zum Honorarprofessor aufgrund seiner wissenschaftlichen Verdienste, die er auch in zahlreichen Fachpublikationen unter Beweis stellte, u. a. als Mitautor des "Karlsruher Kommentars zur Strafprozessordnung".
BGH-Präsident ab 2008Auf Vorschlag von Bundesjustizministerin
Als BGH-Präsident übernahm T. den Vorsitz der Großen Senate und leitete zusätzlich den Kartellsenat, der u. a. ein wichtiges Grundsatzurteil zur Beweislast der Wasserversorger bei Preiserhöhungen fällte (2/2010), eine Entscheidung, die als richtungsweisend für eine Lockerung des Monopols auf dem Wassermarkt angesehen wurde. Andere wegweisende Urteile des BGH in T.s Amtszeit als Präsident stärkten die Rechte der Anleger auf dem Kapitalmarkt, verurteilt wurde z. B. die Deutsche Bank für ihre Verletzung von Beratungspflichten (3/2011). Ein weiteres Grundsatzurteil betraf den Embryonenschutz im Zusammenhang mit der sog. Präimplantationsdiagnostik (7/2010), die im Folgejahr auch gesetzlich in engen Grenzen zugelassen wurde.
Personalstreit am BGH 2011-2013In öffentlichen Auftritten leise und besonnen, wurde T. intern zunehmend mit einem autoritären Führungsstil in Verbindung gebracht. Zu einem "bizarren Justizskandal" (Hbl., 14.2.2012) entwickelte sich eine strittige Personalie am BGH, die gut zwei Jahre lang ungelöst blieb und immer wieder Schlagzeilen produzierte. Es ging um den Vorsitz des 2. Strafsenats, der im Febr. 2011 vakant wurde. Auf diesen Posten bewarb sich der stellv. Vorsitzende
22. Mai 2014: Der Richterwahlausschuss wählt auf Vorschlag der SPD die parteilose derzeitige Amtschefin im baden-württembergischen Justizministerium,
T. ist in zweiter Ehe verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Er spielt Tennis und, wenn es die Zeit erlaubt, Fußball in einer BGH- "Altherren-Mannschaft".
c/o Westfälische Wilhelms-Universität, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Universitätsstraße 14-16, 48143 Münster, Tel.: 0251 83-22710, E-Mail: dekan03@uni-muenster.de