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MUNZINGER Personen

Robert Boyce Brandom

amerikanischer Philosoph; Prof.; Ph.D.
Geburtstag: 1950
Nation: Vereinigte Staaten von Amerika (USA)

Internationales Biographisches Archiv 03/2022 vom 18. Januar 2022 (fl)


Blick in die Presse

Herkunft

Robert "Bob" Boyce Brandom wurde 1950 in den USA geboren.

Ausbildung

B. studierte Mathematik, Kunstwissenschaften und Philosophie an amerikanischen Eliteuniversitäten. Nach dem Bachelor-Examen "summa cum laude" 1972 an der Yale University wechselte er an die Princeton University, wo er 1977 im Fach Philosophie bei Richard Rorty und David K. Lewis zum Ph.D. promovierte mit der Arbeit "Practice and Object".

Wirken

1976 begann er als Assistenzprofessor an der University of Pittsburgh, wurde dort 1981 außerordentlicher Professor und hat seit 1991 einen Lehrstuhl für Philosophie inne (ab 2007 als "Distinguished Professor"). Als Gastdozent lehrte er auch öfter in Europa, u. a. 2006 im Rahmen der John-Locke-Vorlesungen am All Souls College in Oxford, 2008 als Leibnitz-Professor an der Universität Leipzig und 2021 auf dem Spinoza-Lehrstuhl der Universität Amsterdam. Die Vergabe des Anneliese-Maier-Forschungspreises durch die Humboldt-Stiftung an B. 2015 war mit einer mehrjährigen Forschungs- und Lehrtätigkeit an der Universität Leipzig und dem internationalen Forschungskolleg Analytic German Idealism (FAGI) verbunden.

B.s Schwerpunkte sind die Sprachphilosophie, die Philosophie des Geistes und die philosophische Logik sowie die Philosophiegeschichte, hier insbesondere der Deutsche Idealismus (18./19. Jh.) von Immanuel Kant bis Georg Wilhelm Friedrich Hegel und die Analytische Sprachphilosophie Ludwig Wittgensteins († 1951). Zu den zeitgenössischen Philosophen, die B. stark beeinflussten, zählt neben seinen Doktorvätern v. a. Wilfrid Sellars († 1989), der die Grundlagen für eine zuweilen auch "The Pittsburgh School" genannte, synoptische Philosophie legte und Elemente des amerikanischen Pragmatismus mit der analytischen Philosophie und dem logischen Positivismus zusammenführte.

Vom Wesen der Sprache handelt B.s Buch "Making it Explicit" (1994), sein erstes Opus magnum, das in Fachkreisen wie auch den Feuilletons große Beachtung fand. DIE ZEIT (29.6.2000) feierte es bei Erscheinen der deutschen Übersetzung ("Expressive Vernunft") als "Paukenschlag der Gegenwartsphilosophie"; der deutsche Philosoph Jürgen Habermas sprach von einem "Meilenstein der theoretischen Philosophie" (zit. n. WELT, 24.2.2001). B. führte darin einen normativen Pragmatismus, der Sprache als normengeleitete soziale Praxis auffasst und die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke aus ihrem Gebrauch heraus erklärt, mit einem semantischen Inferenzialismus zusammen, wonach Begriffe ihre semantische Zuschreibung innerhalb eines durch logische Schlüsse gegliederten Begriffsnetzwerkes erhalten und nicht indem sie als Repräsentation oder Abbild auf irgendetwas referieren. Bezugnehmend auf Sellars' Konzept vom "logischen Raum der Gründe" verglich B. die Verwendung von Begriffen mit Spielzügen in einem (sozialen) Sprachspiel, in dem Gründe gegeben oder gefordert werden und jeder Teilnehmer eine Art diskursives Punktekonto führt. Ein Papagei, der "Dies ist rot" plappere, verstehe nicht, dass Rot eine Farbe sei, dass es Scharlachfarben ein- und Grün ausschließe, lautet ein oft zitiertes Beispiel von B., um inferenzielle Netzwerke zu veranschaulichen, deren Verständnis Wesen mit Bewusstsein auszeichnet. B.s Verdienst wurde auch darin gesehen, dass er im Unterschied zu seinem Lehrer Rorty eine umfassende Theorieperspektive entwickelt hat, die "alte" Philosophieprobleme wie Vernunft und Wahrheit integriert (FAZ, 9.10.2001). Eine kürzere Darstellung seiner Theorie legte B. mit dem Band "Articulating Reasons" vor (2000; dt. 2001, "Begründen und Begreifen"; vgl. B.s Gastartikel in ZEIT, 12.7.2001).

Von B.s Interesse an Philosophietraditionen zeugt die Aufsatzsammlung "Tales of the Mighty Dead" (2002), deren Themenspektrum von Spinoza über Leibnitz, Hegel und Heidegger bis hin zu Sellars reicht. 2015 folgte der auf Deutsch in einer FAGI-Buchreihe erschienene Band "Wiedererinnerter Idealismus" über die Aktualität von Kant und Hegel. Hatte sich B. schon mit der "Expressiven Vernunft" hervorgetan als "seltener Fall eines analytischen Philosophen, der mit Hegel etwas anzufangen weiß" (SZ, 30.9.2000), so widmete er sein zweites Mammutwerk "A Spirit of Trust" (2019; dt. 2021, "Im Geiste des Vertrauens") einer Neuinterpretation von Hegels komplexem Schlüsselwerk "Phänomenologie des Geistes", worin sich B. v. a. auf sprachphilosophische Probleme fokussiert. In einer Rezension hieß es, er übersetze Hegel geradezu in die Sprache der analytischen Philosophie und zeige sich "fasziniert" von dessen These, dass die menschliche Erkenntnis in Begriffen und Urteilen letztlich "soziale Voraussetzungen [habe] in einer Welt, die sich normativ und zunehmend auf Lernen durch Irrtümer einlässt" (FAS, 19.9.2021).

Familie

B. lebt in Pittsburgh und ist verheiratet mit der Medizinerin Barbara Wendeborn-Brandom. Das Paar hat zwei Söhne und zwei Enkeltöchter. B. beherrscht die Fremdsprachen Deutsch und Französisch lesend und außerdem die Programmiersprache Python.

Werke

Veröffentlichungen u. a.: "Making it Explicit" (94; dt. 00, "Expressive Vernunft"), "Articulating Reasons" (00; dt. 01, "Begründen und Begreifen"), "Tales of the Mighty Dead" (02), "Between Saying and Doing" (08), "Reason in Philosophy" (09), "Perspectives on Pragmatism" (11), "From Empiricism to Expressivism: Brandom Reads Sellars" (15), "Wiedererinnerter Idealismus" (15), "A Spirit of Trust: A Reading of Hegel's Phenomenology" (19; dt. 21, "Im Geiste des Vertrauens: Eine Lektüre der 'Phänomenologie des Geistes'"); zahlr. Fachaufsätze.

Auszeichnungen

Auszeichnungen u. a.: Whiting-Stipendium (74-76), Distinguished Achievement Award/Mellon Foundation (04), Anneliese-Maier-Forschungspreis (15), Jean-Pierre Barricelli Book Prize (19).

Mitgliedschaften

Mitgliedschaften u. a.: American Academy of Arts and Sciences (ab 00), British Academy (ab 18).

Adresse

c/o University of Pittsburgh, Philosophy Dept., 1001 Cathedral of Learning, Pittsburgh, PA 15260, U.S.A., Tel.: +1 412 624-5776, E-Mail: rbrandom@pitt.edu, Internet: www.philosophy.pitt.edu



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