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MUNZINGER Personen

Walter Lini

Geistlicher und Politiker auf Vanuatu (fr. Neue Hebriden)/Südsee
Geburtstag: 1942 Pentecost
Todestag: 21. Februar 1999 Pentecost
Nation: Vanuatu

Internationales Biographisches Archiv 22/1999 vom 24. Mai 1999 (lm)


Blick in die Presse

Herkunft

Father Walter Hadye Lini stammte von der Insel Pentecost (440 km²) der Inselgruppe Neue Hebriden (seit 1980 Vanuatu) im Pazifik. Die Inselgruppe war von 1906 bis zur Unabhängigkeit (1980) ein britisch-französisches Kondominium.

Ausbildung

L. wurde anglophon erzogen und studierte nach Schulbesuch Theologie an anglikanischen Priesterseminaren auf den Salomon-Inseln und in Neuseeland. Als Student bereiste er auch Westeuropa. 1968 wurde er Diakon, 1970 wurde er zum "Father" ordiniert.

Wirken

Auch als junger Pastor ist L. in Westeuropa gewesen. Mit seiner Ordination als Geistlicher fiel auch die Aufhebung der britischen Protektorate über Tonga und Fidschi zusammen, ein Vorgang, der die weitere Entkolonialisierung in der Südsee anregte. 1972 gründete L. die Nationalpartei auf der Inselgruppe, die sich nach Erlangung innerer Autonomie (1974) 1977 in Vanua'aku-Pati (Heimatpartei) umbenannte. Die politische Linie wurde von L. als "melanesischer Sozialismus" bezeichnet. L., Vertreter des anglophonen Bevölkerungsteils, trat für eine rasche Beendigung des britisch-französischen Kondominats und Unabhängigkeit ein. In sein Programm schrieb er auch die Rückgabe des Bodens an Einheimische bzw. deren Abkömmlinge, um der wachsenden Überfremdung Einhalt zu gebieten. 1977 boykottierte die Partei L.s die Wahlen mit der Folge, daß die anderen Parteien, die einen behutsameren Weg vorzogen und die wirtschaftlichen Interessen der Farmer berücksichtigten, die Mehrheit gewannen. Es zeigte sich jedoch bald, daß gegen die Vanua'aku nicht regiert werden konnte. 1979 wurde L. als stellv. Chefminister und Minister für soziale Belange in ein Übergangskabinett der "Nationalen Einheit" aufgenommen. L. fiel dann in den Verhandlungen mit den Kondominatsmächten eine maßgebliche Rolle zu, wobei er Geduld, Zähigkeit und Geschick bewies.

Bei den Parlamentsneuwahlen am 14. Nov. 1979 gewann L.s Partei mit 63 % Stimmenanteil 26 von 39 Mandaten. L. wurde Premierminister, doch noch vor Entlassung in die Unabhängigkeit kam es im Mai 1980 zu einer Revolte auf der größten Insel Espiritu Santo unter Führung von Jimmy Stevens, dem Chef der oppositionellen Nagriamel-Partei. Hinter Stevens standen wohlhabende Geschäftsleute und francophone Colons, die eine Majorisierung durch den anglophonen Bevölkerungsanteil fürchteten. Nach Erklärung der Unabhängigkeit am 30. Juli 1980 forderte L. als Regierungschef Militärhilfe aus Papua-Neuguinea an. 350 Soldaten warfen die Separation nieder. Nach der Revolte brach L. mit den Franzosen und wies französisches Botschaftspersonal aus. Jahre später wurden die Beziehungen wieder normalisiert.

1981 wurde die kleine Inselgruppe (insgesamt 170.000 Einw. auf 12.190 km²) UN-Mitglied. Das wirtschaftlich schwache Staatsgebilde suchte Unterstützung in West und Ost. Ein Fischereiabkommen mit der Sowjetunion im Jan. 1987 rief Beunruhigung und Kritik im westlichen Ausland hervor, und im Okt. 1987 kam es zu einer neuerlichen Konfrontation mit Frankreich (Reduzierung der Finanzhilfe nach Ausweisung des frz. Botschafters).

Im Febr. 1987 erlitt L. während eines USA-Besuchs einen Schlaganfall, der ihn halbseitig lähmte. Fortdauernde weitere gesundheitliche Probleme verstärkten noch die innerparteiliche Kritik an ihm. Barak Sope, seine bisherige rechte Hand, organisierte im Dez. 1987 eine Revolte mit dem Ziel, L. vom Posten des Premiers zu verdrängen, doch konnte sich L. behaupten. Die innenpolitische Situation blieb jedoch verworren. Bei Eröffnung der Parlamentssession erklärte Präsident Sokomanu ohne verfassungsmäßige Grundlage das Parlament für aufgelöst und setzte eine Interimsregierung unter seinem Neffen Sope ein. L. ließ Sope und Sokomanu verhaften und vor Gericht stellen. Sope und Sokomanu wurden in erster Instanz zu langen Haftstrafen verurteilt, in der Berufung jedoch freigesprochen, was als Indiz für einen politischen Stimmungswandel angesehen wurde.

Die innenpolitischen Querelen in der Regierungspartei schädigten die Wirtschaft nur unerheblich. Vielmehr konnte sich Vanuatu als Steuerparadies und Finanzzentrum in der Südsee entwickeln. Im Juli 1991 kam es zu einer Kabinettskrise, in deren Verlauf L. seinen Außenminister Donald Kalpokas und Innenminister Iolu Abil unter dem Vorwurf der Korruption entließ. Wenige Tage später setzte ein Parteikongreß der Vanua'aku-Pati L. als Parteipräsident ab und wählte Kalpokas und Abil zum Präsidenten bzw. Vizepräsidenten. In Konsequenz dieses Beschlusses sprach das Parlament L. im Sept. 1991 das Mißtrauen aus, mit der Folge, daß Kalpokas am 6. Sept. 1991 zum neuen Regierungschef gewählt wurde. L. gründete nun die National United Party (NUP), die nach den Dezemberwahlen 1991 mit der francophonen Union des partis modérés (UPM) des Politikers Maxime Carlot eine Koalition einging. Im 1. und 2. Kabinett des UPM-Politikers Serge Vohor übernahm L. ab Sept. 1996 die Ressorts Justiz, Kultur und Frauenfragen. Nach den vorgezogenen Parlamentswahlen vom 6. März 1998 kam die Vanua'aku mit Premier Kalpokas wieder ans Ruder und drängte NUP und UPM in die Opposition. Von Sept. 1998 bis zu seinem frühen Tod agierte L. wieder als Oppositionsführer.

Familie

Am 21. Febr. 1999 erlag der "Vater der Unabhängigkeit" und einer der wenigen nicht im Ruch der Korruption stehenden Politiker des Archipels im Alter von nur 57 Jahren einer Virusinfektion.

Werke

Veröffentlichung: "Beyond Pandemonium: From the New Hebrides to Vanuatu" (80).



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