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Süddeutsche Zeitung
Süddeutsche Zeitung, 10.01.1998, S. 51
Sport

Diesmal gibt es kein Zurück

Nach Olympia Wechsel im erfolgreichen Duo der Biathlon-Bundestrainer

Noch einmal Olympia, „dann ist Schluß”. Es ist mehr als vier Jahre her, daß sich Norbert Baier, der Disziplintrainer Biathlon Männer im Deutschen Ski-Verband (DSV), zurückziehen wollte nach damals 18 Jahren Tätigkeit und „irgendwo weiter hinten eine andere Aufgabe übernehmen”. Nach den Winterspielen 1994 in Lillehammer, die seinen Skijägern wie schon 1992 vier Medaillen in den drei Disziplinen bescherten, kam es anders. Baier, geboren in Franken, aufgewachsen in Mittenwald, „seit 1989 voll dabei” in Sachen Nationalteam, verlängerte um vier Jahre, bis zu seinem 50.  Geburtstag Mitte 1998. „Du mußt zum richtigen Zeitpunkt wissen, wannst aufhörst” – dieser Satz von 1994 mußte den Erfordernissen des Tages weichen; der Stabsfeldwebel der Gebirgsjäger stellte mit 46 noch einmal die privaten Dinge zurück, die Gattin und die drei Kinder mußten auf den Vater weiterhin über lange Strecken des Jahres verzichten.

Das hatte zu tun mit den vielen Reizen der Skijagd, vor allem aber mit der Besetzungsnot eines Sportverbandes, der nach der Aufnahme des vormals großen Biathlon-Bruders DDR noch Rücksichten zu nehmen hatte. Es ergab sich nämlich auf glückliche Weise, daß Baier und der einstige Weltmeister Frank Ullrich aus Thüringen eine erstaunlich gute Partnerschaft aufbauten, daß zwei gegensätzliche Charaktere zu Freunden wurden. Da der umgängliche Diplomtrainer Baier, dort der brillante Theoretiker und Praktiker Ullrich, ein studierter Sportlehrer, nach dem Rücktritt des wegen seiner Dopingvergangenheit angegriffenen Kurt Hinze auf sich allein gestellt, doch durchaus nicht hilflos.

Die Rahmentrainingspläne nach DDR-Muster hat Norbert Baier kurzerhand übernommen; daß sich die Athleten aus dem Osten durchsetzten war ihm „wurscht”. Erzürnt war er nach dem Olympia-Triumph von Albertville 1992 „nur über Bemerkungen von Trainern aus anderen Wintersportarten, mit denen sie uns in die Doping-Ecke stellen wollen”. Die beiden Biathlon-Bundestrainer ließen sich „nie gegeneinander ausspielen”, so Ullrich, mochten sie zum Umgang mit den Athleten auch zweierlei Meinung sein. Mochten andere ob ihres straffen Regiments die Nase rümpfen, der Erfolg gab ihnen immer recht. Und zwar mehr als sieben Jahre, wie Thomas Pfrüller betont, der Sportdirektor des DSV. Ihm obliegt es nun, jenen Mann zu ersetzen, der im Biathlon deutliche Zeichen setzte. Norbert Baier, der 1976 als C-Kader-Betreuer eingesprungen ist und 1980 als Schießtrainer Bundestrainer-Aufgaben übernahm, tritt nach Nagano ins zweite Glied. Und diesmal – so scheint es – gibt’s kein Zurück, so schwierig sich der Prozeß der Neubesetzung auch gestaltet.

An Fachleuten herrscht kein Mangel, doch wen mit dem zum Disziplintrainer aufrückenden Frank Ullrich (39) zusammenspannen? Wenn es nach Weltmeister Ricco Groß geht, kann die Wahl nur auf den Sachsen Klaus Siebert fallen, den früheren DDR-Juniorencoach, seinen Heimtrainer aus Altenberger Zeiten, „ansonsten muß ich dann Konsequenzen ziehen”. Eventuell persönliche Animositäten aus der Zeit des verbissenen Wettstreits Armeeklub Oberhof kontra Polizei- oder Stasiklub Zinnwald müßten im Sinne „einer großen Sache” hintanstehen, „die sind beide alt genug”.

Frank Ullrich, der Oberhofer, kokettiert mit der Vorstellung, auch mal eine ganz andere Aufgabe zu übernehmen. „Ich habe als Athlet einiges erreicht”, sagt Ullrich, „und ein bißchen was als Trainer. ” Ein bißchen was gefällt ihm offenbar an der ganzen Sache nicht, etwa wie die Militärs Sven Fischer aus der Bundeswehr „ausdelegiert” haben – nachdem er als Militärweltmeister nochmals seine Schuldigkeit getan hatte.

Mit allen Fasern seines Herzens ist Frank Ullrich noch nicht angekommen in der Welt der neuen Freiheit. DSV-Direktor Pfrüller überlegt, dem neuen Ost-Duo Ullrich/Siebert den Nachwuchstrainer Franz Bernreiter beizugesellen, einen Westler aus Zwiesel. Das böte den Vorteil, den Stützpunkt Ruhpolding zu stärken, an dem Staffel-Olympiasieger Fritz Fischer den C-Kader betreut. Der Trainerstudent liebäugelt längst mit einem Bundestrainerposten, zuletzt ist er aber mehr als Golfspieler und alpiner Betreuer seiner drei Söhne aufgefallen. Auf Ullrich ist er schlecht zu sprechen, seit ihn der 1993 aus dem Kader drängte. „Die Zeit ist noch nicht reif”, hat auch Pfrüller erkannt.

Fritz Heimann

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