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Will McBride

amerikanischer Fotograf
Geburtstag: 10. Januar 1931 St. Luis/MO
Todestag: 29. Januar 2015 Berlin
Nation: Vereinigte Staaten von Amerika (USA)

Internationales Biographisches Archiv 28/2015 vom 7. Juli 2015 (sb)
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 16/2020


Blick in die Presse

Herkunft

Will McBride wurde 1931 in St. Louis, Missouri, geboren und wuchs in Chicago auf.

Ausbildung

Nach dem Besuch der Grosse Pointe High School in Michigan studierte M. 1948-1950 Anglistik an der University of Vermont. 1950-1951 belegte er Malerei an der National Academy of Design und 1951-1953 studierte er Malerei, Illustration und Kunstgeschichte an der Syracuse University in New York City. Daneben nahm er Privatstunden bei dem damals sehr bekannten Maler Norman Rockwell (1894-1978). Während seiner Militärzeit für die US-Army (1950-1955) war M. ab 1953 in Würzburg stationiert. Damals entschloss er sich, in Deutschland zu bleiben, zog 1955 nach Berlin, studierte Philologie an der Berliner FU, malte und begann zu fotografieren. Nach eigenen Aussagen (BZ, 5.1.2006) fühlte sich M. in seiner Berliner Zeit "wahrhaft glücklich". Er galt seinerzeit als "Chronist der Berliner Jugend" (Tsp., 31.1.2015).

Wirken

Freier Fotograf in Deutschland1959 ließ sich M. als freier Fotograf in Berlin nieder, arbeitete für Magazine wie "Life", "stern" und "Paris Match"; 1961 wechselte er nach München, wo er ein eigenes Fotostudio für Werbefotografie gründete. Berühmt wurde M. vor allem durch seine Fotoreportagen für das Jugend- und Lifestyle-Magazin "Twen".

1965 wurde M. Dozent für Fotojournalismus an der Hochschule für Gestaltung in Ulm. Im gleichen Jahr veröffentlichte er einen Bildband über Konrad Adenauer, viele weitere Bücher zu unterschiedlichsten Themen sollten folgen. Durch die Einstellung des Magazins "Twen" (1971) stürzte der Fotograf in eine Lebenskrise. 1972-1982 nahm er eine Auszeit und zog sich nach Casoli Camaiore in der Toskana zurück, wo er sich mit Malerei und Bildhauerei beschäftigte und Workshops in der Toskana und in Arles gab. 1983 eröffnete M. ein Fotostudio in Frankfurt am Main, das er bis 1998 betrieb. Seine Arbeit für Zeitschriften setzte er fort, darunter bekannte Titel wie "Eltern", "Quick", "Geo", "Life", "Look", "Paris Match" oder "Playboy". Seit den 1970er Jahren war M. als freier Künstler auch als Maler und Bildhauer tätig, ab 1999 wieder in Berlin, wo er wohl noch fotografierte, die Bilder aber nur noch als Material für die Malerei nutzte.

Themen und MotiveM. interessierte sich ebenso für die Dokumentation der Wirtschaftswunderzeit wie die der später rebellierenden Jugend; daneben aber versuchte er, sein persönliches Empfinden und seine Selbsterfahrung auszudrücken. Dabei arbeitete er immer in Schwarz-Weiß. Ein wichtiges Thema war die Stadt Berlin, die er 1958 zusammen mit der Fotografin Lynn Millar in dem Band "Berlin und die Berliner von Amerikanern gesehen" fotografisch beschrieb. Weitere Fotobücher entstanden später mit diesen Berlin-Bildern, so z. B. "Knips: Berliner Bilder aus den 50er Jahren" (1979), das "Foto-Tagebuch 1953-1961" (1982) und der Band "Berlin im Aufbruch. Fotografien 1956-1963" (2013; hrsg. von Mathias Bertram), der Fotos der sich wandelnden Stadt Berlin, die Anstrengungen des Wiederaufbaus und eine neue Generation mit freierem Lebensstil zeigt.

Mit zu M.s berühmtesten Fotos zählen die 1960 entstandenen Porträts seiner Frau Barbara als Schwangere, die im Jugendmagazin "Twen" erschienen und einen Riesenskandal verursachten. Auf Irritationen stießen auch die realistische Fotodokumentation der Geburt seines Sohnes und das Sexualkundebuch "Zeig mal!: Ein Bilderbuch für Kinder und Eltern" (1975), mit dem er das Erwachen der kindlichen Sexualität fotografisch thematisierte. Vom Evangelischen Jugenddienstverlag Wuppertal verlegt und eine Million Mal verkauft wurde das Buch in den 1970er Jahren mehrfach ausgezeichnet. Zuvor hatte M. schon für das Buch "Paare" (1971) und für das "Lexikon der Sexualaufklärung" (1972) Fotos beigesteuert; 1981 kam eine "Bildmappe für den Sexualkundeunterricht" heraus und 1988 erschien eine Neuausgabe von "Zeig mal" unter dem Titel " Zeig mal mehr!: Ein Bilder- und Aufklärungsbuch über Sexualität, für Jugendliche und Erwachsene". In den 1990er Jahren veränderte sich allerdings der Blick auf diese Art der Aufklärungsliteratur mit und für Kinder, nun wurde eine Nähe zu Pädophilie und Kindesmissbrauch unterstellt und kritisiert, 1996 wurde der Druck von "Zeig mal!" eingestellt.

Zwei Bücher widmete M. dem Thema "Boys", die hauptsächlich nackte Jungen aller Altersgruppen zeigen. 1986 veröffentlichte er den Band "Boys" mit Fotografien von Jungen und Texten von Peter Weiermair. In diesem Buch schrieb M. als Erklärung für eines seiner Hauptmotive: "Wenn ein Junge meinen Weg kreuzt, bleibe ich stehen, all meine Aufmerksamkeit ist auf das gerichtet, was er tut. Ich schaue und schaue, nach Lebenszeichen suchend, und werde nie enttäuscht, denn das Leben zeigt sich nirgends offensichtlicher als in einem Jungen. Der Junge macht mich verrückt, weil ich nicht mehr so bin wie er. Das Leben hat Gewalt über mich, über den Jungen in mir, und macht ihn alt und kraftlos." 2000 setzte er in dem Fotobuch "Situationen Projekte" diese Jungenfotos in Beziehung zu seinen Skulpturen.

Neben diesen Hauptprojekten gab M. 1982 einen Fotoband mit dem Titel "Siddhartha" heraus, in dem er mit Komparsen Fotos für den Text von Hermann Hesse arrangierte. Mit seiner Biographie beschäftigte sich M. in "My Sixties" (1994) und in "I, Will McBride" (1997). 2002 erschien sein biographischer Fotoband über Romy Schneider, die er 1964 in Paris fotografiert hatte, mit dem Titel "Romy: fotografische Erinnerungen, Paris 1964". Sein Fotoband "Mein Italien" (2003) vereinte nach Meinung der Süddeutschen Zeitung (17.3.2003) "Sehnsuchtsbilder der Nordeuropäer" mit Bildern vom "unschönen wahren Italien".

Maler, Zeichner, BildhauerM. malte großformatige Ölgemälde, meist Porträts von nackten Jugendlichen oder Selbstporträts. In der Malerei gestattete er sich die Farbe, auf die er in der Fotografie verzichtete. In dem Band "Coming of Age" (1999) stellte er Jungenporträts in Farbe vor. Daneben machte M. Radierungen und fertigte Bronzen. In dem 1990 erschienenen Band "Sculpture" stellte er diese Bronzeskulpturen und andere Skulpturen vor.

1995 begann M. mit der Arbeit an einer riesigen Installation unter dem Titel "No War!", die aus 200 Bronzeplastiken und großen Ölgemälden besteht und in Frankfurt und in Casoli di Camaiore gezeigt wurde. Die Arbeit daran geschah an einem geheimen Ort, in einer Lagerhalle in der Nähe von Berlin.

Rezeption1991-1992 würdigte eine große Retrospektive M. unter dem Titel "Will McBride - 40 Years of Photography"; sie wurde im Kunstverein Frankfurt, im Rheinischen Landesmuseum Bonn, in der PPS-Galerie Hamburg, im Haus am Waldsee Berlin und im Stadtmuseum München gezeigt. In diesen Porträts sei "die homoerotische Komponente seiner Fotografie, die nie bloßstellt" unübersehbar, es seien "Porträts wie Liebeserklärungen", schrieb die Frankfurter Rundschau (9.7.1992). Im Herbst 2014 feierte die Galerie C/O ihre Neueröffnung im Berliner Amerika-Haus mit einer Ausstellung zum Frühwerk von M. unter dem Titel "Ich war verliebt in diese Stadt" und schloss für den - zur Eröffnung anwesenden - Künstler damit einen Kreis, der 1957 als erster Fotograf dort ausgestellt hatte.

Familie

M. war 1959-1968 mit Barbara Wilke verheiratet. Aus der Ehe stammen die Söhne Shawn Michael (*1960), Robin Christopher (*1962) und Brian Brandon Duncan (*1964). 1974 heiratete seine Ex-Frau den Gastrokritiker Wolfram Siebeck. M. lebte seit 1999 in Berlin, wo er am 29. Jan. 2015 84-jährig in einem Krankenhaus starb.

Werke

Einzelausstellungen u. a.: Kunstverein Frankfurt (91), Landesmuseum Bonn (92), Haus am Waldsee Berlin (93), Stadtmuseum München (93), Galleria d'Arte Moderna Bologna (00), Galerie C/O Berlin (14). Buchpublikationen u. a.: "Berlin und die Berliner von Amerikanern gesehen", zus. mit Lynn Millar (58), "Adenauer, ein Portrait" (65), "Paare" (71), "Lexikon der Sexualaufklärung" (72), "Zeig mal!: Ein Bilderbuch für Kinder und Eltern", Fotos und Text von M. (75), "Knips: Berliner Bilder aus den 50er Jahren" (79), "Bildmappe für den Sexualkundeunterricht" (81), "Siddhartha" (82), "Foto-Tagebuch 1953-1961" (82), "Boys", mit Texten von Peter Weiermair und M. (86), "Zeig mal mehr!: Ein Bilder- und Aufklärungsbuch über Sexualität, für Jugendliche und Erwachsene" (88), "Will McBride: 40 Jahre Fotografie" (92), "Situationen, Projekte: ein Fotobuch" (92), "Adenauer und seine Kinder - Fotografien von 1956-1968" (94), "My Sixties" (94), "I, Will McBride" (97), "Coming of Age" (99), "Situationen Projekte: Ein Fotobuch" (00), "Romy: fotografische Erinnerungen, Paris 1964" (02), "Mein Italien" (03), "Berlin im Aufbruch. Fotografien 1956-1963" (13; hrsg. von Mathias Bertram).

Literatur

2019: Ulf Erdmann Ziegler: "Die Erfindung des Westens. Eine deutsche Geschichte mit Will McBride" (2019).

Auszeichnungen

Auszeichnungen u. a: Salomon Award der DGPh (04), Ehrenmitgliedschaft im Deutschen Designer Club (11).

Adresse

Letzte Adresse: Neue Schönhauser Str. 10, 10178 Berlin, Internet: www.will-mcbride-art.com



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