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MUNZINGER Personen

Leo Wagner

deutscher Politiker; CSU
Geburtstag: 13. März 1919 München
Todestag: 8. November 2006 Günzburg
Nation: Deutschland - Bundesrepublik

Internationales Biographisches Archiv 29/1975 vom 7. Juli 1975
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 04/2019


Blick in die Presse

Wirken

Leo Wagner, kath., wurde am 13. März 1919 in München geboren. Sein Vater, zuletzt Polizei-Inspektor, stammte aus Ellingen in Franken. W. besuchte eine Oberrealschule und bestand 1937 das Abitur. Danach studierte er an der Hochschule für Lehrerbildung in München. Im Krieg, den er von 1939-45 mitmachte, wurde er verwundet. Aus dem Lazarett in Hannover marschierte er 1945 zu Fuß in die Heimatstadt seiner Frau, Günzburg. Er ist Kriegsbeschädigter.

Von 1945-61 war er Schulleiter der von ihm aufgebauten Volksschulen in Bubesheim und Reisenburg, sowie Rektor der katholischen Volksschule in Günzburg.

W. hat 1945 von Fritz Schäffer entdeckt, in Günzburg den Kreisverband der CSU mitgegründet, dessen Leitung er ein Jahr später übernahm und seither ununterbrochen innehatte. 1961 wurde er auch Bezirksvorsitzender der CSU in Schwaben. 1948 wurde er stellv. Landrat und 1949-64 Mitglied des Stadtrates in Günzburg. Von 1956-64 amtierte er als zweiter Bürgermeister dieser Stadt. Von 1954-62 war er Mitglied des Bezirkstages Schwaben und Vorsitzender der CSU-Fraktion.

In fast aussichtsloser Position wurde er 1961 in die Landesliste der CSU für den Bundestag aufgenommen. Trotzdem reichte es für den Sprung nach Bonn. Seither kandidierte W. im Wahlkreis 241 (Neu-Ulm) und wurde 1965, 1969 und 1972 direkt gewählt. W. riskierte dann in der schwierigen Situation nach der Spiegel-Krise vom Herbst 1962 eine Kampfabstimmung gegen Linus Memmel um die Nachfolge von Gerhard Wacher, der damals als Staatssekretär nach München ging und wurde parlamentarischer Geschäftsführer der CSU. Mit dem Amt, das er seit Jan. 1963 innehatte, war automatisch der Sitz im Ältestenrat, in den Vorständen der Gesamtfraktion, der Landesgruppe und der Partei verbunden. Im Herbst 1965 konnte er es sich leisten, sowohl das Post- als auch das Bundesministerium auszuschlagen. Weitaus stärker strebte er die Position eines parlamentarischen Staatssekretärs im Bundeskanzleramt an, die damals im Gespräch war, später jedoch nicht geschaffen wurde. Im Bundestag konzentrierte sich W. auf die Innenpolitik und die Beamtengesetze.

W. besaß als Mitglied des Landesvorstands und des Präsidiums der CSU dem Vernehmen nach das uneingeschränkte Vertrauen von Franz Josef Strauß.

Als Nachfolger des verstorbenen W. Rasner wurde W. im November 1971 parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 1973 warf das Wirtschaftsmagazin "Capital" W. unseriöse Geschäfte vor. Es berichtete, W. habe über eine Viertel Million DM Schulden. Zu seinen Geldgebern gehörten auch Bauunternehmer, Makler und Druckereibesitzer. Bei ihnen habe er den Eindruck hervorgerufen, er werde zum Dank seinen politischen Einfluss bei der Vergabe von öffentlichen Grundstücks-, Bau- und Druckaufträgen sowie bei der Bewilligung staatlicher Subventionen und Entwicklungsgelder geltend machen. W. nannte diese Vorwürfe "Teil einer Hexenjagd, die derzeit in Bonn abläuft".

Im Januar 1974 gab W. bekannt, dass er nicht mehr für das Amt des Bezirksvorsitzenden der CSU in Schwaben kandidieren wolle, denn es zeigte sich, dass zumindest die persönlichen Finanzen in Unordnung waren und blieben und deshalb die öffentliche Erörterung fortdauerte. Parteiintern wurde W. vorgeworfen, dass seine "Lebensführung in keinem angemessenen Verhältnis zu seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gestanden habe". W. sei offenbar mit größter Wahrscheinlichkeit in die Hände der Unterwelt gefallen, die ihn "ausgenommen hat, wie eine Weihnachtsgans". Ende Febr. 1975 sprach man schon von über 1 Million Schulden. W. legte Ende Febr. das Mandat nieder, was wegen Formfehlers zunächst nicht wirksam werden konnte.

Anfang Febr. 1975 ließ sich W. "aus persönlichen und gesundheitlichen Gründen" von seinem Amt als parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU beurlauben. Wenig später zog die CSU-Landesgruppe in der Wahl Paul Röhners zum Nachfolger einen Schlussstrich unter die Angelegenheit. Fest steht, dass auch W. durch die Belastung des Amtes gesundheitlich angegriffen ist und offenbar einen Kreislaufkollaps erlitt.

1973 hatte W. den Ehrendoktor der Sung-Kyun-Kwan-Universität in Seoul und das Große Bundesverdienstkreuz erhalten.

W. war seit 1944 mit Elfried, geborene Drenkard, verheiratet und hatte zwei Kinder (Gerhard, Ruth).

27. November 2000: Die Bundesanwaltschaft bestätigt, dass sie bei der Prüfung von Dateien der DDR-Staatssicherheit die Überzeugung gewonnen habe, dass der frühere parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Leo Wagner (CSU), von der DDR unter dem Decknamen "Löwe" als Agent geführt worden sei. Man habe kein Ermittlungsverfahren eingeleitet, da die Spionageaktivitäten verjährt seien. Wagner bestreitet, jemals Spionage betrieben zu haben. Um seine Partei nicht zu belasten, werde er jedoch seine Ämter als stellvertretender Landesvorsitzender der Senioren-Union in Bayern sowie als Kreisvorsitzender der Senioren-Union in Günzburg niederlegen. U. a. soll die Bundesanwaltschaft auf konkrete Hinweise darauf gestoßen sein, dass die Stasi Wagner 1972 Geld geboten habe, um ein Misstrauensvotum der Union gegen Bundeskanzler Willy Brandt scheitern zu lassen.

Familie

8. November 2006: Der frühere Politiker Leo Wagner stirbt im Alter von 87 Jahren in Günzburg.

Literatur

17. Januar 2019: Kinostart (D): "Die Geheimnisse des Schönen Leo" (D 2018). Produzent: Carl-Ludwig Rettinger. Regie: Benedikt Schwarzer. Der Filmemacher Benedikt Schwarzer will herausfinden, was an den Vorwürfen gegen seinen Großvater Leo Wagner (1919-2006) dran ist, der als CSU-Bundestagsabgeordneter angeblich für die Stasi gearbeitet haben soll. Seine Spurensuche mit der Kamera enthüllt nicht nur eine hochkomplizierte Familiengeschichte, sondern fördert überraschende Details einer höchst ambivalenten Karriere zu Tage, in der sich ein Politiker sein ausschweifendes Leben von der DDR finanzieren ließ. (film-dienst 3/2019)



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