Hans Junkermann war der erste deutsche Radrennfahrer, der nach dem Krieg international für Furore sorgte. Der Rheinländer gewann nicht nur zweimal die Tour de Suisse, sondern stand dank seiner Qualitäten als Kletterer auch mehrfach bei den großen Rundfahrten in Italien und Frankreich vor dem Gesamtsieg. Allerdings klappte es damit nie, was wohl in erster Linie darauf zurückzuführen war, dass er nie auf die Unterstützung eines starken Teams bauen konnte. Junkermann blieb auch nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn mit dem Radsport verbunden: Er betreute jahrelang den Nachwuchs bei Olympia Dortmund, wo mehrere spätere Profis ihre Radsportkarriere begannen.
Laufbahn
Eigentlich liebäugelte Hans Junkermann, der von allen nur "Hennes" genannt wurde, als Jugendlicher mit einer Karriere als Fußballer. Doch als er als 15-Jähriger einmal zu einem Match fuhr, wurde er Zeuge eines Bezirksrennens und war so fasziniert, dass er das Fußballspiel vergaß und in der Folge seinen Vater so lange bearbeitete, bis dieser ihm ein Rennrad kaufte. Kurze Zeit später bestritt er bereits seine ersten Junioren-Rennen, war allerdings infolge fehlender Routine und mangels ausreichenden Trainings zunächst chancenlos. Doch der junge Mann aus der Nähe von Krefeld war ausgesprochen trainingsfleißig und schaffte schnell den Anschluss. Ausgerechnet das letzte Rennen als Junior (Rund um Dortmund) brachte ihm 1951 den ersten Sieg.
Mit 17 Jahren wechselte Hennes Junkermann bereits zu den Amateuren, weil er lange und harte Rennen bestreiten wollte, die seinen Fähigkeiten eher entgegenkamen. Mit seiner Größe von nur 1,66 m und seinem eher schlaksigen Körperbau war der Fahrer des RV Staubwolke Krefeld-Fischeln geradezu prädestiniert für Mehretappenrennen. Er verzeichnete auch hier eine Reihe größerer Erfolge, gewann die Schwarzwald-Rundfahrt und nahm zweimal an der Amateur-WM teil: 1953 beendete er in Lugano als einziger Deutscher das Rennen, wenn auch nicht im Spitzenfeld, 1954 wurde er bei der Heim-WM in Solingen immerhin Neunter. In beiden Jahren war er punktbester Amateur gewesen.
1955 entschied sich der 21-Jährige für den Übertritt zu den Berufsfahrern und unterzeichnete einen Vertrag beim kleinen Rabeneck-Rennstall. Aber noch während seines Debütjahres wechselte der junge Krefelder zum Bauer-Team, um an der Deutschland-Tour teilnehmen zu können. Dabei legte er eine beeindruckende Talentprobe ab und wurde ausgezeichneter Dritter. In seinem zweiten Profijahr nahm er 1956 erstmals an der Tour de Suisse teil und erreichte einen respektablen fünften Platz. In der nächsten Saison verbesserte er sich um einen Rang und wurde Vierter.
Den ersten großen Sieg feierte der deutsche Straßen-Vizemeister in der Saison 1957 ebenfalls in der Schweiz: Er gewann die traditionsreiche "Züri Metzgete", die Meisterschaft von Zürich. Es war einer der wenigen Siege Junkermanns bei einem Klassiker, denn gerade anlässlich solcher Rennen wirkte sich sein Manko bei den Sprints besonders aus. "Mit etwas mehr Endschnelligkeit auf den letzten Metern wäre meine Erfolgsliste auf der Straße wie auch auf der Bahn kompletter gewesen", meinte er später einmal (Rottiers, Die großen Radsport Stars, 1991).
Auch 1958 landete er beim Schweizer Klassiker als Zweiter im Spitzenfeld, wurde nur vom Italiener Cainero geschlagen. In der Tour de Suisse, der Rundfahrt durch die Schweizer Alpen, fühlte sich der Kletterer aus dem Rheinland immer wohler und belegte diesmal bereits Platz zwei hinter dem Italiener Pasquale Fornara. Ein Jahr später gelang dem 25-Jährigen der große Wurf, wobei er unter anderem den großen spanischen Kletterer Federico Bahamontes hinter sich ließ. Zudem wurde er erstmals deutscher Straßenmeister und sammelte im Rahmen von Giro und Vuelta wertvolle Erfahrung.
1960 war Hennes Junkermann die große Sensation anlässlich der Tour de France. Die kleine deutsche Equipe - damals gab es noch keine multinationalen Teams - schmolz immer mehr zusammen, so dass der deutsche Tourneuling nahezu auf sich allein gestellt war, aber dennoch den ausgezeichneten vierten Platz im Schlussklassement belegte. Im gleichen Jahr bestritt Hennes Junkermann auch seine ersten Sechstagerennen, dies vor allem deshalb, um finanziell "über die Runden zu kommen" (kicker, 27.7.1998). Dreimal wurde er als Sieger abgewunken - in Dortmund und Köln mit Klaus Bugdahl, in Münster mit Fritz Pfenninger. Später sah er die frühen Auftritte auf der Winterbahn als größten Fehler seiner Laufbahn an: "Damals wurden diese Rennen noch nach der alten Formel ausgetragen, und so hatten wir nachts nur drei Stunden Schlaf" (Rottiers, Die großen Radsport Stars, 1991).
1961 schaffte er den Hattrick bei den nationalen Meisterschaften und sorgte vor allem im Rahmen des Giro d'Italia für Schlagzeilen. Mit großartigen Leistungen stand er in den Bergen Südtirols schon vor dem Gesamtsieg, als er vom eigenen Team, das den Luxemburger Charly Gaul forcierte, gestoppt wurde. Mit zehn Minuten Vorsprung hatte er den Aufstieg zum Stilfser Joch begonnen, dann bekam er vom eigenen Betreuer eine offensichtlich präparierte Trinkflasche, deren Inhalt heftige Magenkrämpfe verursachte. Junkermann musste vom Rad und verlor unglaublich viel Zeit und damit letztlich auch den Gesamtsieg, so dass er auf dem enttäuschenden sechsten Platz in Mailand ankam. In der Tour de France wurde er praktisch ohne jede Teamunterstützung Fünfter. Den Vorwurf, ein "Zauderer" zu sein, wie Hans Blickensdörfer einmal meinte, wies Deutschlands erster Nachkriegsstar immer von sich: "Ich musste jede Attacke selbst kontern. Hatte ich Defekt, drückten Franzosen und Italiener sofort aufs Tempo. Ich musste teilweise 80, 90 Kilometer allein fahren, habe geflucht und geheult" (kicker, 27.7.1998).
Dennoch stand Hennes Junkermann 1962 ganz knapp vor dem größten Triumph seiner Laufbahn. Er hatte der Tour de Suisse eindeutig den Stempel aufgedrückt, zwei Etappen sowie Punkteklassement und Gesamtbergwertung gewonnen und galt als einer der großen Favoriten für die Grand Boucle. Im belgischen Groene-Leeuw-Team schien er auch die nötige Unterstützung zu bekommen. Vor den schweren Alpenetappen lag er in aussichtsreicher vierter Position und bereitete den Großangriff vor, als er vor dem Start zur 14. Etappe in Luchon zusammen mit zehn weiteren Fahrern seiner Mannschaft durch eine Fischvergiftung gestoppt wurde. Noch Jahrzehnte später konnte er, der damals am Morgen bewusstlos in der Toilette lag, seine Enttäuschung nur schwer verbergen: "Alle ausgestiegenen Fahrer logierten im selben Hotel. Da war etwas manipuliert" (kicker, 27.7.1998). Es war die letzte Möglichkeit des damals 28-Jährigen auf einen Tour-Sieg gewesen, denn in den folgenden Jahren hatte er mit der Entscheidung nie mehr etwas zu tun.
1963 gewann Junkermann in Frankfurt bei Rund um den Henninger Turm seinen zweiten Klassiker und wurde Zweiter anlässlich der Vier Tage von Dünkirchen. Bei der Tour belegte er den neunten Platz. Immer häufiger trat Hennes Junkermann ab den frühen sechziger Jahren bei Americaine- bzw. Omnium-Rennen an, wurde mehrfach deutscher Meister und holte sich 1965 sogar zusammen mit Rudi Altig den Americaine-EM-Titel. Im gleichen Jahr erzielte er mit Rang sieben das beste Abschneiden bei der Vuelta.
Zwar war Hennes Junkermann Mitte der sechziger Jahre immer noch bester deutscher Etappenfahrer, was er 1967 mit Rang fünf bei der Tour de Suisse und Rang elf bei der Tour de France unterstrich, den Rang des deutschen Radidols hatte er allerdings inzwischen an Rudi Altig abtreten müssen, der 1966 den WM-Titel holte. Dennoch blieb der Krefelder ein Muster an Beständigkeit, nahm bis zu seinem vorletzten Jahr als Profi 1972 alljährlich an den Weltmeisterschaften teil - insgesamt 17-mal. Zu einem absoluten Spitzenplatz hatte es allerdings nie gereicht - der zehnte Rang von 1961 blieb das beste Resultat. Den letzten Auftritt seiner aktiven Laufbahn hatte der 39-Jährige im Frühjahr 1973 bei einem Derny-Rennen in seiner Heimat, als ihm 40.000 Zuschauer beim Abschied zujubelten.
Gleich danach begann Hennes Junkermann als Trainer und Funktionär zu arbeiten, zunächst vier Jahre als Verbandstrainer in Nordrhein-Westfalen, dann sechs Jahre beim Amateurverein RSV City Neuwied. Im Anschluss daran übernahm er 1984 bei Olympia Dortmund das Coaching des Amateurteams, das bald eines der bestorganisierten in Deutschland wurde. Die Olympia-Silbermedaille von Bernd Gröne 1988 ist zu einem Teil sicherlich das Verdienst Junkermanns, und auch für viele später erfolgreiche Berufsfahrer legte er in Dortmund die Basis, etwa für Hartmut und Udo Bölts, Kai Hundertmark oder Rolf Aldag; auch Erik Zabel wurde zeitweilig von ihm betreut. 1998 gab der Krefelder nach 14-jähriger Tätigkeit, zuletzt gemeinsam mit Gregor Braun, das Amt in die Hände seines jüngeren Nachfolgers weiter.
Persönliches
Hennes Junkermann wuchs zusammen mit fünf Geschwistern in St. Tönis nahe Krefeld auf. Die Eltern - der Vater war Gärtner - hatten eine große Obstplantage, auf der alle Kinder mitzuhelfen hatten. "Ich glaube, dass ich mir gerade hier die nötige Härte angeeignet habe, um bei so schweren Rennen wie der Tour de France zu bestehen", gewann Hennes Junkermann den Entbehrungen seiner Kindheit durchaus positive Seiten ab (Rottiers, Die großen Radsport Stars, 1991). Für den Radsport begeisterte sich auch sein jüngster Bruder Karl, doch entschied dieser sich letztlich gegen eine Karriere als Sportler.
Ende der fünfziger Jahre heiratete Hennes Junkermann und wurde dann 1960 Vater von Tochter Gabriele, die ihn inzwischen bereits zum zweifachen Großvater machte. Später trennte er sich allerdings von seiner Frau, fand aber in Freundin Annelie eine neue Lebenspartnerin, mit der er seit 1977 in Krefeld wohnt. Der Ex-Radprofi legte das Geld seiner für heutige Verhältnisse natürlich mageren Profigagen - "In meinem ersten Profijahr habe ich 150 Mark im Monat kassiert" (kicker, 27.7.1998) - gewinnbringend in Immobilien an.
In seiner Freizeit ist Hennes Junkermann noch immer sportlich recht aktiv, fuhr noch als 60-Jähriger hundert Kilometer täglich. Auch das Skifahren bereitete ihm stets viel Spaß. Neben dem Radsport, dessen Entwicklungen er noch immer mit großem Interesse verfolgt, gilt seine Liebe auch heute noch dem Fußball, wobei Schalke und Dortmund seine größte Aufmerksamkeit gilt.
11. April 2022: Der frühere deutsche Radsportler Hennes Junkermann stirbt im Alter von 87 Jahren in Krefeld. Junkermann war der erste deutsche Radrennfahrer, der nach dem 2. Weltkrieg international für Furore sorgte. 1959 und 1962 gewann er die Tour de Suisse, 1957 die Meisterschaft von Zürich und 1963 Rund um den Henninger Turm. Er nahm achtmal an der Tour de France teil und war 1960 Gesamtvierter.
Karriere in Zahlen
Amateurlaufbahn (bis 1954):
1953: |
Teilnehmer Straßenweltmeisterschaft |
1954: |
Neunter Straßenweltmeisterschaft Sieger Schwarzwald-Rundfahrt Sieger Neuss-Aachen-Neuss |
Profilaufbahn (1955-1973):
1956: |
Sieger Bismarck-Preis Zweiter deutsche 5.000-m-Einzelverfolgungs-Meisterschaft Dritter Rund um Köln, Deutschland-Rundfahrt Fünfter Tour de Suisse |
1957: |
Sieger Meisterschaft von Zürich Zweiter deutsche Straßenmeisterschaft Vierter Tour de Suisse Siebter Holland-Rundfahrt |
1958: |
Sieger deutsche 5.000-m-Einzelverfolgungs-Meisterschaft, Rund um Frankfurt Zweiter Tour de Suisse, Meisterschaft von Zürich |
1959: |
Sieger Tour de Suisse (ein Etappensieg und Punktesieger), deutsche Straßenmeisterschaft 13. Giro d'Italia 15. Vuelta a España |
1960: |
Sieger deutsche Straßenmeisterschaft Vierter Tour de France Zehnter Deutschland-Rundfahrt 14. Giro d'Italia |
1961: |
Sieger deutsche Straßenmeisterschaft, deutsche Bergmeisterschaft, deutsche Americaine-Meisterschaft Zweiter Deutschland-Rundfahrt Dritter Americaine-EM Fünfter Tour de France Sechster Giro d'Italia, Holland-Rundfahrt Zehnter Straßenweltmeisterschaft |
1962: |
Sieger Tour de Suisse (2 Etappensiege, Punkte- und Bergwertungssieger), deutsche Americaine-Meisterschaft Zweiter Dauphiné Libéré Dritter Flèche Wallonne Fünfter Deutschland-Rundfahrt |
1963: |
Sieger deutsche Americaine-Meisterschaft, deutsche Bergmeisterschaft, Rund um den Henninger Turm, GP Bad Schwalbach Zweiter Vier Tage von Dünkirchen Neunter Tour de France |
1964: |
Dritter Omnium-EM, Luxemburg-Rundfahrt |
1965: |
Sieger Americaine-EM, deutsche Americaine-Meisterschaft Siebter Vuelta a España 25. Tour de France |
1966: |
Sieger deutsche Bergmeisterschaft, deutsche Americaine-Meisterschaft 14. Tour de Suisse |
1967: |
Sieger deutsche Bergmeisterschaft Elfter Tour de France Fünfter Tour de Suisse |
1968: |
15. Tour de Suisse |
1969: |
Sieger Steher-EM 25. Tour de Suisse |
1970: |
Zehnter Tour de Suisse |
1972: |
Sechster Luxemburg-Rundfahrt |
Siege bei Sechstagerennen (9):
1960: |
Dortmund, Köln, Münster |
1962: |
Berlin, Münster |
1963: |
Essen |
1964: |
Essen, Frankfurt, Köln |