MUNZINGER Wissen, das zählt | Zurück zur Startseite
Wissen, das zählt.


MUNZINGER Personen
Mircea Snegur

Mircea Snegur

moldauischer Politiker; Präsident der Republik Moldau (1990-1996); Dr.
Geburtstag: 17. Januar 1940 Trifeneştj
Todestag: 13. September 2023 Chișinău
Nation: Moldau

Internationales Biographisches Archiv 15/1997 vom 31. März 1997 (lm)
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 37/2023


Blick in die Presse

Herkunft

Mircea Ion Snegur, Sohn eines Kleinbauern, wurde 1940 im Dorf Trifeneşti im Kreis Floreşti in der damaligen Moldauischen Sozialistischen Sowjetrepublik geboren. Im gleichen Jahr wurde Bessarabien, einst Bestandteil des alten rumänischen Fürstentums Moldau, als Folge des Hitler-Stalin-Paktes von der Sowjetunion annektiert und mit der östlich des Dnjestr bereits bestehenden Autonomen Republik Moldau (Transnistrien) verbunden.

Ausbildung

S. arbeitete sich bis zur Aufnahme zum Studium am Landwirtschaftsinstitut "M. W. Frunse" in der Hauptstadt Kischinew (rumänisch: Chişinău) im Jahre 1961 empor, wo er später auch den Grad eines Kandidaten der Agrarwissenschaften erlangte. Danach begann er als Leitender Agronom in der Kolchose "Weg zum Kommunismus" in seinem Heimatkreis zu arbeiten - inmitten des "Gemüsegartens" der knapp 34.000 km2 großen Moldauischen Republik, die Ende der 1980er Jahre bei Gemüse 35 %, bei Tabak 33 % und bei Obst 25 % der jeweiligen sowjetischen Gesamtmenge produzierte.

Wirken

Von 1968 an war S. am Lehrstuhl für Ackerbau des Landwirtschaftsinstituts wissenschaftlich tätig. Später wurde ihm dessen Feldbau-Versuchsstation übertragen, bis er 1973 begann, in verschiedenen Führungspositionen im Ministerium für Agrarwirtschaft der Moldauischen SSR tätig zu sein, zuletzt, ab 1978, als Direktor für Ackerbau und Generaldirektor eines Instituts, das sich der Optimierung von Feldkulturen widmete.

1981 rief die Kommunistische Partei der Moldau ihn als hauptamtlichen Funktionär in ihren Apparat. 1985 wurde er schließlich für die Landwirtschaft zuständiger Sekretär des ZK der Moldauischen KP. Im Juli 1989 - der Puls nationalistischer Bewegungen und Autonomiebestrebungen schlug längst auch in Moldawien (Moldau) - wurde S. zum Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjet der Republik gewählt. Nachdem der orthodoxe KP-Führer Semjon Grossu am 7. Nov. 1989 anlässlich der Feierlichkeiten zum Jahrestag der Oktoberrevolution direkt von der Tribüne weg vertrieben worden war, erhielt S. am 27. April 1990 als Vorsitzender des Obersten Sowjet umfassende Vollmachten und wurde am 3. Sept. 1990 auf den vom Parlament neu eingerichteten Posten des Präsidenten der Republik berufen.

Nach den ersten weitgehend freien Parlamentswahlen am 25. Febr. 1990 war am 24. Mai 1990 eine Regierung unter Führung von Mircea George Druc gebildet worden, der zunehmend Reformdruck entwickelte und von der politisch dominanten, auf nationale Unabhängigkeit und die Wiedereinführung des lateinischen Alphabets und der rumänischen Sprache als Staatssprache drängenden "Moldauischen Volksfront" getragen wurde. Im Mai 1991 brachten von Plänen für eine neue Bodenverteilung, Verwaltungsreformen und Gewaltenteilung auf lokaler Ebene aufgeschreckte Kolchosbosse und orthodoxe Kommunisten Druc per Misstrauensantrag zu Fall, womit S. eines wichtigen Gegenspielers entledigt wurde.

Unter dem unmittelbaren Eindruck des gescheiterten Putsches gegen den sowjetischen Präsidenten Michail S. Gorbatschow verkündete S. am 27. Aug. 1991 vor über 100.000 Menschen die zuvor vom Parlament erklärte Unabhängigkeit der Republik, in der einst auch Leonid I. Breschnew als KP-Chef für eiserne Bindung an die Moskauer Zentrale gesorgt hatte, bevor er selbst deren Führung übernahm. Befürworter einer "einigen und unteilbaren Republik Moldau" aber auch Gegner einer vorschnellen Vereinigung mit Rumänien sah S. sich in zunehmendem Maße durch die Sezessionsbewegungen bedrängt, die vor allem von den östlich des Dnjestr lebenden Russen und den Ukrainern sowie den Gagausen, einem slawisierten Turkvolk im Süden, ausgingen. Bereits im Sept. 1990 war eine "Republik Dnjestr" mit einem eigenen Präsidenten ausgerufen worden.

Aus den ersten direkten Präsidentenwahlen am 8. Dez. 1991, an denen sich ca. 83 % der Wahlberechtigten beteiligt hatten, ging S. als einziger Kandidat mit 98,2 % der Stimmen als Sieger hervor. Am 21. Dez. 1991 trat Moldau der neu gebildeten Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) bei. Im Febr. 1992 brachen Unruhen zwischen transnistrischen Russen und moldauischen Sicherheitskräften aus, worauf S. wenig später den Ausnahmezustand ausrief. Anfang April 1992 besetzten moldauische Truppen die hauptsächlich von Russen bewohnte Stadt Bendery (rumän. Tighina), worauf die 14. russische Armee den Russen in Transnistrien zu Hilfe kam. Als die Kämpfe im Juni 1992 eskalierten, ernannte der russische Präsident Boris N. Jelzin General Aleksandr I. Lebed zum Befehlshaber der 14. Armee, die ab Ende Juni 1992 massiv in die Kämpfe um die Stadt Bendery eingriff, wobei es nach Pressemeldungen Hunderte von Toten gab. Unter dem Druck der russischen Streitkräfte kam es am 21.7.1992 zu einem Waffenstillstandsabkommen, das von Präsident Jelzin und S. unterzeichnet wurde und einen Sonderstatus für Transnistrien vorsah. Die Kämpfe flauten danach ab, doch blieb eine endgültige politische Lösung in den folgenden Jahren aus.

Die Auseinandersetzungen um Transnistrien und die gestörten Handelswege in die GUS-Länder hatten die Wirtschaft von Moldau nachhaltig negativ beeinflusst. Große Teile der Bevölkerung fielen unter die Armutsgrenze und die Bemühungen S.s und der Regierung um ausländische Hilfen und Investitionen hatten anfangs wenig Erfolg. S. fühlte sich aber auch durch mangelnden Reformwillen der regierenden Agrardemokratischen Partei/PDAM behindert, verließ die Partei, gründete am 16.7.1995 die Partei der Nationalen Wiedergeburt und Eintracht und wurde einen Monat später zum Vorsitzenden gewählt. Die wirtschaftliche Talfahrt setzte sich fort. Das reale Inlandsprodukt sank 1994 um 31,2 %, 1995 nochmals um 3 %. Zur Unterstützung einer stabilitäts- und reformorientierten Wirtschaftspolitik bewilligte der Internat. Währungsfonds (IWF) am 20.5.1996 eine weitere Kreditlinie von 135 Mio. SZR. Die durchaus vorzeigbaren Fortschritte im Banken- und Währungssystem Moldaus hatten die Lage der Bevölkerung allerdings nicht verbessert. Im April 1996 betrug die Verschuldung des Staates etwa 70 Mio. US$. Der Durchschnittsmonatslohn von umgerechnet 33,3 US$ war einer der niedrigsten im ganzen postsowjetischen Raum. In der Zeit von 1994 bis 1995 sanken die Realeinkommen der Bevölkerung um 22,9 %.

Dem Versuch, wirtschaftlich Boden zu gewinnen, dienten verschiedene Auslandsreisen S.s. So besuchte er im Okt. 1995 auch die Bundesrepublik Deutschland. Auf dem Programm standen Gespräche mit Bundeskanzler Helmut Kohl und Außenminister Klaus Kinkel. In S.s Delegation befanden sich moldauische Unternehmer, die Kontakte zur deutschen Wirtschaft suchten. Am 11.10.1995 unterzeichneten Deutschland und Moldau einen Grundlagenvertrag, der u. a. die Rückgabe von Kulturgütern vorsieht. Bei dem Treffen mit Außenminister Kinkel wurde ein Verkehrs-, Kultur- und Kriegsgräberabkommen abgeschlossen. Im Okt. 1996 besuchte S. auch Österreich.

Innenpolitisch sah sich S. wachsender Kritik ausgesetzt. Einmal verfestigten sich die Strukturen im abtrünnigen Transnistrien, wo am 24.12.1995 in einem Referendum von 82,7 % der Teilnehmer die Unabhängigkeit bestätigt wurde, zum anderen scheiterte S. im Febr. 1996 mit seinem Vorschlag, Rumänisch statt (des nahe verwandten) Moldauisch als Staatssprache einzuführen.

Bei den zweiten Präsidentenwahlen im Nov./Dez. 1996 standen sich S. und Parlamentspräsident Petru Lucinschi als die aussichtsreichsten Kandidaten gegenüber, wobei S. eher für eine Anlehnung an Rumänien stand und Lucinschi für verstärkte Kontakte zu Moskau. In der ersten Runde am 17. Nov. 1996 lag S. noch mit 38,8 % deutlich vor Lucinschi mit 27,7 %. Die zwei nächstplazierten Bewerber, der Kommunist Wladimir Woronin und der bisherige Ministerpräsident Sangheli, empfahlen ihren Wählern jedoch, für Lucinschi zu stimmen, der dann auch am 1.12.1996 die Stichwahl klar mit 54,2 % gegen 45,8 % für S. gewann. Die Wahlbeteiligung war mit 73 % überraschend hoch. Offenbar hielten viele Moldauer Lucinschi für berechenbarer und pragmatischer als S. Zudem erwarteten sie wohl von Lucinschi, der sich als Sozialdemokrat bezeichnet, eine bessere Abfederung marktwirtschaftlicher Reformen. Nach Äußerungen des Wahlsiegers wurde mit einem außenpolitischen Kurswechsel gerechnet. Eine Vereinigung mit Rumänien stieß in Moldau ohnehin nicht auf Begeisterung. Lucinschi hatte deutlich gemacht, dass Russland mit seinem Erdgas, dem Erdöl und der Kohle die "wichtigste Energiebasis" von Moldau und der "bequemste Absatzmarkt" sei. Einen antirussischen Kurs zu steuern, bedeute, gegen die Interessen des bitterarmen Landes zu handeln.

2007 veröffentlichte S. seine Memoiren: "Labyrinth of Destiny: memoirs".

Familie

Am 13. Sept. 2023 starb S. nach schwerer Krankheit im Alter von 83 Jahren in Chișinău. Er war seit 1960 mit der im Dez. 2019 verstorbenen Georgeta Snegur verheiratet. Das Paar hatte zwei Kinder: Tochter Natalia Gherman, ebenfalls politisch engagiert, und einen Sohn.



Die Biographie von Margot Robbie ist nur eine von über 40.000, die in unseren biographischen Datenbanken Personen, Sport und Pop verfügbar sind. Wöchentlich bringen wir neue Porträts, publizieren redaktionell überarbeitete Texte und aktualisieren darüberhinaus Hunderte von Biographien.
Unsere Datenbanken sind unverzichtbare Recherchequelle für Journalisten und Publizisten, wertvolle Informationsquelle für Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, Grundausstattung für jede Bibliothek und unerschöpfliche Fundgrube für jeden, der mit den Zeitläuften und ihren Protagonisten Schritt halten will.



Lucene - Search engine library