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MUNZINGER Personen

Carl Andre

amerikanischer Bildhauer
Geburtstag: 16. September 1935 Quincy/MA
Todestag: 24. Januar 2024 Manhattan/NY
Nation: Vereinigte Staaten von Amerika (USA)

Internationales Biographisches Archiv 32/2024 vom 6. August 2024 (ds)


Blick in die Presse

Herkunft

Carl Andre wurde 1935 in Quincy/Massachusetts als Sohn von George H. Andre, einem Architekten schwedischer Abstammung, und Margaret M., geb. Johnson, geboren. Er wuchs mit seiner Schwester Carol auf.

Ausbildung

Nach dem Besuch der Public Schools in Quincy ließ er sich von 1951 bis 1953 an der Phillips Academy in Andover/Massachusetts ausbilden; dort empfing er auch wesentliche Eindrücke in der Addison Gallery of American Art, die eine Sammlung von der Kolonialzeit bis zu Jackson Pollock hat.

Wirken

Künstlerische AnfängeA., der als wichtiger Vertreter der sich in den 1960er Jahren ausprägenden Minimal Art gilt, einer Kunsttendenz, deren reduzierte Formensprache auf geometrische Grundformen zurückgreift, begann nach ersten geformten Arbeiten, in denen er den jeweiligen Werkstoff noch bearbeitete, Ende der 1950er Jahre seine ersten Skulpturen aus vorgefertigten Kuben zu erstellen. Es handelte sich dabei um aufeinandergestapelte, mannshohe Pyramiden, die allerdings nicht erhalten blieben. Eine nachgebaute Pyramide wurde später im Dallas Art Museum als Zeugnis seiner ersten Arbeiten ausgestellt.

Arbeiten ab den 1960er Jahren1955-1956 leistete A. seinen Militärdienst bei der US-Army von North Carolina, ehe er sich 1957 in New York niederließ und zunächst als Assistent in einem Verlagshaus arbeitete. Um seinen weiteren Lebensunterhalt zu verdienen war A. von 1960 bis 1964 als Bremser und Zugführer bei den Pennsylvania Railroads angestellt - eine Zeit, die ihn zu weiteren künstlerischen Formen anregte. Die Werke des Bildhauers Constantin Brancusi und die "black paintings" seines Freundes Frank Stella galten ihm als Vorbilder. Zwischen 1963 und 1965 befasste sich A. mit der seriellen Anordnung von Wörtern, die er "Poems" nannte, oder auch mit Wort- und Buchstabenkompositionen unter dem Begriff "Words", "Names" oder "Flags". 1964 entstand seine Arbeit "Breda", die mit ihren gewinkelten Holzbohlenteilen stärker als bisherige Arbeiten in den Raum hineinwirkte. Neben Formen aus aufeinandergestapelten, mächtigen Holzbalken wie die schon 1960 gefertigte Skulptur "Henge", die vor allem den Werkstoff Holz ins Zentrum des Kunsterlebnisses stellen, entstanden flache, stegartige Arbeiten aus den verschiedensten Materialien wie Backsteinen oder Metallplatten. A. verwendete rohes Material, ohne es zu formen oder zu bearbeiten.

Erste öffentliche Ausstellungen1965 stellte A. zum ersten Mal öffentlich aus und zeigte unter dem Titel "Shape and Structure" Werke in der Tibor de Nagy Gallery in New York. 1967 präsentierte er in der Galerie Konrad Fischer in Düsseldorf seine europaweit erste Ausstellung: ein Viereck aus begehbaren Stahlplatten unter dem Titel "5 x 20 Altstadt Rectangle" und brachte damit die Minimal- und Konzeptkunst nach Europa. Auf seine Empfehlung hin kamen mehr und mehr Künstlerkollegen aus den USA an den Rhein, z. B. Sol LeWitt, Bruce Nauman, Richard J. Long, Donald Judd, Lawrence Weiner und auch europäische Künstler wie Daniel Buren und Giuseppe Penone. 1968 wurden Arbeiten von A. auf der Kasseler documenta 4 gezeigt, Harald Szeemann lud A. zur Schau "When Attitudes Become Form" in die Kunsthalle Bern ein. 1970 stellte das New Yorker Guggenheim Museum zum ersten Mal A.s Werk aus.

Aus den Werkstoffen Backstein, Holz und Metall besteht A.s Skulptur "54-Part Steel Cut" aus dem Jahre 1972. Über das Zusammenspiel der arrangierten Materialien schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung (19.2.1987): "Das Gemachte - die gelegten Platten - und das Gegebene - der Umraum - treten (...) in einen spannungsreichen Dialog. (...) Neue Räume, neue Felder entstehen." Wie für A.s Installationen typisch wurde der Betrachter in die Arbeit einbezogen, indem dieser z. B. die begehbaren Platten als verschiedene Blickpunkte in den Raum nutzen konnte. 1972 kaufte die Londoner Tate Gallery eines der "Equivalents", die jeweils aus 120 zu einem einfachen Muster zusammengelegten Backsteinen bestanden. Dies löste in der britischen Öffentlichkeit einen Skandal aus, nachdem mehrere Zeitungen dem Museum Verschwendung von Steuergeldern vorgeworfen hatten.

Ausstellungen seit den 1990er JahrenSeit Ende der 1960er Jahre waren die bildnerischen Werke A.s - insgesamt schuf er über 2.000 - regelmäßig in Ausstellungen v. a. in den USA und Europa zu sehen. Nicht alle Museumsgebäude erwiesen sich jedoch als geeignet, die großen Ausmaße der teils mehrere Räume umfassenden, seriell angeordneten Arbeiten A.s voll zur Geltung zu bringen. In Frankfurt mussten 1991 Werke des Bildhauers, darunter die 35 Meter lange, aus Holzbalken zusammengesetzte "Timber Line", in ein Karmeliterkloster ausgelagert werden. Eine große Retrospektive veranstalteten 1996 die Städte Wolfsburg und Krefeld unter dem Titel "Carl Andre - Sculptor 1996". Während die kleineren Skulpturen in den Krefelder Museen Haus Lange und Haus Esters zu sehen waren, bot das Wolfsburger Kunstmuseum das geeignete Umfeld für die monumentalen Stücke und die ins Weite drängenden "field pieces". Weitere große Einzelausstellungen zeigten die Whitechapel Art Gallery in London im Jahr 2000 und das Amsterdamer Stedelijk Museum 2002. Das Museum Kurhaus in Kleve präsentierte 2011 eine Retrospektive mit dem skulpturalen Werk und Textarbeiten aus den 1960er Jahren, die von der Süddeutschen Zeitung (27.5.2011) als "eine vorzüglich inszenierte Werkschau" gelobt wurde.

Nachdem A. in den USA kaum Beachtung erfahren hatte und viele seiner Ausstellungen auch von feministischen Protestaktionen begleitet gewesen waren, zeigte das Dia: Beacon in New York im Jahr 2014 eine Retrospektive unter dem Titel "Sculpture as Place" mit 50 Skulpturen, 200 Gedichten, Arbeiten auf Papier sowie Fotografien. Neben einer kleineren Ausstellung in Saarbrücken mit Skulpturen und Schreibmaschinengedichten im selben Jahr fanden vor allem die zwei großen Ausstellungen der Langen Foundation, u. a. im Museum Insel Hombroich (großes Installationsprojekt "Satellites") und im Hamburger Bahnhof in Berlin unter dem Titel "Sculpture as Place, 1958-2010", welche die Süddeutsche Zeitung (31.8.2016) als "die bedeutendste Ausstellung des Jahres" bezeichnete, große Beachtung.

Neben seiner künstlerischen Tätigkeit, die durch unzählige Gruppenausstellungen und ca. 250 Einzelausstellungen in Galerien und Museen dokumentiert ist, betätigte sich A. auch als Kunstschriftsteller und publizierte Aufsätze sowie Begleitworte zu Ausstellungskatalogen. 2010 erhielt A. für sein Lebenswerk den mit 150.000 sfr. höchstdotierten Kunstpreis Europas, den Roswitha-Haftmann-Preis.

Familie

A. war in erster Ehe mit Barbara Brown und in zweiter mit der Künstlerin Rosemarie Castoro verheiratet. Seit Anfang 1985 war er in dritter Ehe mit der kubanischen Performancekünstlerin Ana Mendieta, verheiratet, die er 1979 kennengelernt hatte. Mendieta stürzte nach einem Streit mit A. - beide hatten zu viel getrunken - im selben Jahr aus dem Fenster der gemeinsamen Wohnung im 34. Stock eines Hauses in Greenwich Village; die Umstände dieses Todessturzes blieben unklar. Robert Katz schrieb darüber eine Dokumentation: "Naked by the Window: The Fatal Marriage of Carl Andre and Ana Mendieta" (1990). In einem Gespräch mit dem SPIEGEL (33/2014) äußerte sich A. zum ersten Mal nach fast 30 Jahren zu dem Unfall. A. wurde des Totschlags angeklagt, 1988 aber freigesprochen; die Anwälte versiegelten die Gerichtsakten. Seit 1999 war er in vierter Ehe mit der Künstlerin Melissa Kretschmer (* 1962) verheiratet, mit der er 2009 die "Carl Andre and Melissa L Kretschmer Foundation" gegründet hatte. Er lebte und arbeitete in New York/Manhattan, wo er in einem Pflegeheim starb.

Werke

Einzelausstellungen u. a.: Tibor de Nagy, New York (65; 66), Galerie Konrad Fischer, Düsseldorf (67; seither regelmäßig), Städtisches Museum, Mönchengladbach (68), Gemeentemuseum, Den Haag (69; 87), Guggenheim Museum, New York (70), Museum of Modern Art, New York (73), Kunsthalle Bern (75), Laguna Gloria Art Museum, Austin (78), National Gallery of Canada, Ottawa (80), Württembergischer Kunstverein, Stuttgart (81), Westfälischer Kunstverein, Münster (84), Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven (87), The Addison Gallery of American Art, Phillips Academy, Andover (91), Vestsjaellands Kunstmuseum, Soro/Dänemark (91), Kunstverein Köln (94), Stedelijk Museum, Amsterdam (94), Kunstmuseum Wolfsburg (96), Museum Haus Lange und Haus Esters, Krefeld (96), Whitechapel Art Gallery London (00), Stedelijk Museum Amsterdam (02), Kunsthaus Glarus (03, 07), Kunsthaus Graz (11), Museum Kurhaus Kleve (11), Kunstsammlung Nordhrein-Westfalen, Düsseldorf (11), Pinakothek der Moderne, München (11), Museum Wiesbaden (12), Dia: Beacon New York (14), Museum Allerheiligen Saarbrücken (14), Langen Foundation im Museum Insel Hombroich (15), Hamburger Bahnhof Berlin (16).

Auszeichnungen

Auszeichnungen u. a.: Roswitha-Haftmann-Preis Zürich (11).

Adresse

Letzte Adresse: c/o Carl Andre and Melissa Kretschmer Foundation, 300 Mercer Street, Apt. 34E, New York, NY 10003-6778, U.S.A., E-Mail: info@camkfoundation.org, Internet: www.carlandre.net



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