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MUNZINGER Sport

Lutz Dombrowski

deutscher Leichtathlet (Weitsprung)
Geburtstag: 25. Juni 1959 Zwickau
Klassifikation: Sprung (Leichtathletik)
Nation: Deutschland - Bundesrepublik
Erfolge/Funktion: Olympiasieger 1980
Europameister 1982
Europapokalsieger 1979
Weltpokalzweiter 1979

Internationales Sportarchiv 02/1992 vom 30. Dezember 1991 (st)


Am 26. Nov. 1991 überraschte die Chemnitzer Morgenpost ihre Leser mit der Meldung, der frühere DDR-Weitsprung-Olympiasieger Lutz Dombrowski habe zugegeben, als Informant für die Staatssicherheit tätig gewesen zu sein. Der Goldmedaillengewinner von Moskau 1980 bestätigte, mündliche Berichte über Sportkameraden abgeliefert zu haben. "Es tut mir leid, daß ich 1979 (eine Verpflichtungserklärung für die Stasi) unterschrieben habe. Ich hatte einfach Angst, daß ich nicht mehr ins Ausland fahren darf", zitierte die Zeitung den ehemaligen Spitzensportler. "Sport war in der früheren DDR Klassenkampf, und genauso habe ich das auch gesehen", sagte Dombrowski. Seit der Kommunalwahl 1990 war er PDS-Abgeordneter im Stadtparlament von Chemnitz. Dieses Mandat will er nun niederlegen. Der gebürtige Zwickauer hatte eine für den DDR-Sport typische Karriere erlebt. Über Spartakiadewettkämpfe und Jugendmeisterschaften qualifizierte er sich für höhere Aufgaben, betätigte sich gesellschaftspolitisch in der Jugendorganisation FDJ. Die Fähigkeit, bei großen Ereignissen ungewöhnliche Leistungen zu erbringen, brachte ihm trotz zahlreicher Verletzungen immer wieder bemerkenswerte Erfolge.

Enge Bindungen hatte er stets zum Elternhaus in Zwickau. Sein Vater war vor dem Zweiten Weltkrieg ein guter Zehnkämpfer, hoffte sogar auf eine Olympiateilnahme. Der Einberufungsbefehl verhinderte weitere Wettkämpfe, die Olympischen Spiele 1940 fielen dem Krieg zum Opfer. Als Invalide kehrte Vater Dombrowski nach Hause zurück. "Aus seinem Leben, seinem Erzählen, ergab sich für mich die Motivation, hohe sportliche Leistungen zu vollbringen. Ich wollte für meinen Vater, dem der Krieg alle sportlichen Hoffnungen zerstörte, in einer friedlichen Welt seinen Platz einnehmen", sagte Lutz Dombrowski 1983, gegen Ende seiner erfolgreichen Laufbahn.

Nach einer Lehre als Maschinen- und Anlagenmonteur begann er ein Ingenieurstudium. 1989 immatrikulierte er sich an der DHfK Leipzig.

Laufbahn

"Dombrowski - ein typisches DDR-Produkt" umschrieb das Fachblatt Leichtathletik 1979 die sportliche Entwicklung des 1,87 m großen und 87 kg schweren Athleten. Doch auf dem Weg nach oben hatte der wuchtige Springer zahlreiche Hürden zu überwinden. Sein Trainer Hans-Jürgen Grützner hatte 1973 sogar ernsthaft erwogen, eine "Ausdelegierung" aus dem SC Karl-Marx-Stadt anzuregen, "weil sich Lutz Dombrowski im hinteren Drittel der Trainingsgruppe befand. Mit Ach und Krach nahmen wir ihn mit zu den Schülermeisterschaften. Und dort sprang er mit 6,41 m Bestleistung, 70 cm weiter als im Training". Auch später blieb er in Wettkämpfen stets über seinen Trainingsresultaten. "Wenn ich dort bin, will ich gewinnen. Etwas anderes gibt es nicht. Dafür schöpfe ich bedingungslos alle Kräfte aus. Nur mitspringen, das ist nicht Sinn und Zweck", umschrieb der Olympiasieger später seine Einstellung zum Sport. Lange Zeit betrieb er parallel Weit- und Dreisprung, gewann 1975 bei den Spartakiadewettkämpfen in beiden Disziplinen. 1976 wurde er DDR-Jugendmeister, 1977 DDR-Juniorenmeister - jeweils im Dreisprung. Bei den Junioren-Europameisterschaften belegte er in dieser Disziplin Platz vier.

1978 blieb er verletzungsbedingt ohne Wettkampf, in der Hallensaison 1979 meldete er sich mit 7,94 m im Weitsprung zurück. Obwohl er sich kurz darauf bei einem Fußballspiel den linken Fuß brach und sechs Wochen pausieren mußte, beeindruckte er als Nobody 1979 die Konkurrenz. Er siegte beim Europapokal, belegte Platz zwei beim Weltcup und wurde DDR-Meister. Er steigerte sich auf eine Bestweite von 8,31 m, unterstrich diese Leistung durch zahlreiche weitere Acht-Meter-Sätze, obwohl er in den Jahren zuvor nie über 7,60 m hinaus gekommen war. 10,5 Sek. über 100 m aus dem Hochstart heraus, 1,94 m ohne gezieltes Training im Hochsprung sowie 16,61 m im Dreisprung in der Halle belegten, welches Ausnahmetalent an die Tür zur Weltklasse klopfte. Den Höhepunkt seiner sportlichen Laufbahn erlebte er 1980 in Moskau, als er in Abwesenheit der starken Amerikaner Olympiasieger im Weitsprung werden konnte. Allerdings hätten auch die US-Boys Schwierigkeiten gehabt, den mit dem neuen Europarekord von 8,54 m siegenden Dombrowski zu schlagen. Kurz zuvor hatte er in Dresden den Europarekord des Jugoslawen Stekic von 8,45 m egalisiert. Dieser inzwischen vierte DDR-Rekord Dombrowskis war zugleich der erstaunlichste. Für die olympische Saison hatte man ihn bereits abgeschrieben. "Es ist eine Tragik, daß zwei so großartige Athleten wie Rolf Beilschmidt und Lutz Dombrowski wegen ihrer Verletzungen für die Olympischen Spiele ausfallen", äußerte sich noch Ende Mai 1980 DVfL-Präsident Prof. Dr. Wieczisk.

Sein Talent und seine ungeheure Kraft in den Beinen bescherten ihm in Moskau Olympiagold. Auch Millionen im Westen bestaunten den ersten deutschen Olympiasieger im Weitsprung. "Er beginnt alle seine Anläufe an der Ablaufmarke mit einem typischen, nahezu stereotypen und räumlich-zeitlich extremen 'Zeremoniell', einem mehrmaligen Vor- und Rücksetzen des Sprungbeins. Dann leitet er mit einem ebenso präzisen Vier-Schritt-Sprunglauf den Anlauf ein", beschrieb die DDR-Fachzeitschrift Leichtathlet den bekannten Bewegungsablauf Dombrowskis.

Auf den Olympiasieg 1980 folgten Jahre mit zahlreichen Hochs und Tiefs, Verletzungen und Siegen. 1981 belegte er Platz fünf beim Europapokal und Platz sieben beim Weltpokal im Dreisprung, 1982 war erneut ein strahlender Sieg zu vermelden. Der Sachse siegte bei den Europameisterschaften im Weitsprung, hatte mit 8,41 m einen Vorsprung von 19 cm auf den Zweiten, den Spanier Corgos. Auch beim Acht-Nationencup in Tokio siegte der DDR-Vizemeister mit 8,17 m. Verletzungsbedingt pausierte er 1983. Dennoch schien er 1984 an seine besten Leistungen anknüpfen zu können. Er wurde DDR-Meister und Hallenmeister, absolvierte im Juli in Dresden sogar die beste Serie seines Lebens: 8,21 m / 8,25 m / 8,42 m / ausgelassen / 8,50 m / 8,48 m - alle Sprünge fanden bei regulären Windverhältnissen statt. Die großen Hoffnungen auf eine Verteidigung seines Olympiasieges aber erfüllten sich nicht. Der Boykott der DDR für die Olympischen Spiele in Los Angeles traf auch Lutz Dombrowski hart. Die große internationale Karriere war damit beendet, wenn er auch bei den DDR-Meisterschaften 1985 mit Platz zwei (ebenso 8,02 m wie der Sieger) alten Kampfgeist "aufblitzen" ließ.

1988 wurde er offiziell vom Leistungssport verabschiedet, es wurde still um ihn, bis die Schlagzeilen von seiner Stasi-Tätigkeit die Öffentlichkeit an ihn erinnerten. Er selbst äußerte sich im SPIEGEL zu den Vorwürfen: "Namen will ich nicht nennen, doch es gibt genug, die - ohne IM ("Inoffizieller Mitarbeiter" der Stasi) gewesen zu sein - anderen die Karriere vermasselt haben. Sportfunktionäre haben Personen wie den ehemaligen Diskus-Weltrekordler Wolfgang Schmidt regelrecht fertiggemacht. An die Großen geht aber keiner ran, weil dann auch die Verflechtungen mit der Bundesrepublik bekannt würden. Im Sport ist es so ähnlich, wie wir es in der Politik im Fall Schalck-Golodkowski gesehen haben."

Karriere in Zahlen

Erfolge:

Olympische Spiele:

1980: Sieger

Europameisterschaft:

1982: Sieger

Weltcup:

1979: Zweiter
1981: Siebter Dreisprung

Europapokal:

1979: Sieger
1981: Fünfter Dreisprung

Junioren-EM:

1977: Vierter Dreisprung

DDR-Meister 1979, 1984, Zweiter 1982, 1985
DDR-Juniorenmeister 1977 Dreisprung
DDR-Jugendmeister 1976 Dreisprung
DDR-Hallenmeister 1977 (2 x), 1984
Acht-Nationencup: 1982 Sieger

Leistungsentwicklung:

1975:  7,13 m
1976:  7,55 m
1977:  7,60 m (7,80 m Halle)
1978:  -
1979:  8,31 m
1980:  8,54 m
1981:  -
1982:  8,30 m (8,41 m Wind)
1983:  -
1984:  8,50 m
1985:  8,02 m



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