Schenuda III.
Geburtstag: |
|
Todestag: |
|
Nation: |
|
Geburtstag: |
|
Todestag: |
|
Nation: |
|
Internationales Biographisches Archiv
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW
Anba Schenuda al-Suriani (eigentlich Nasir Gayid Rafail), der als Patriarch den Namen Schenuda III. (auch Shenouda oder Schenouda) annahm, wurde am 3. Aug. 1923 als jüngstes von acht Geschwistern in der oberägyptischen Provinz Assiut geboren. Die Mutter starb kurz nach seiner Geburt.
Sch., der 16-jährig als Lehrer an die Sonntagsschule berufen wurde, schloss sein Geschichtsstudium an der Kairoer Universität 1947 mit dem B.A.-Grad ab. Im Anschluss absolvierte er ein Aufbaustudium in Archäologie und ließ sich zugleich zum Reserveoffizier ausbilden. Er unterrichtete als Englisch- und Sozialkundelehrer; abends belegte er Kurse am koptisch-orthodoxen Priesterseminar in Kairo (Abschluss in Theologie und Philosophie 1949). Seine Studien unterbrach er 1948, um als Offizier am ersten arabisch-israelischen Krieg teilzunehmen.
Theologische Ämter Seine Berufstätigkeit begann Sch. als Dozent für Exegese und Dogmatik am Kairoer Priesterseminar; zugleich war er Mitarbeiter und Herausgeber des "Sunday School Magazine". 1954 trat er in das westlich von Kairo im Wadi Natrun gelegene Kloster Deir-Es-Surian (Kloster der Syrer) als Mönch mit dem Namen Abuna Antonius ein und fungierte dort als Bibliothekar. Wie schon während seines Studiums, verbrachte er einige Zeit meditierend in einer Einsiedlerhöhle in der Wüste. 1955 wurde er zum Priester geweiht und erhielt den Namen Pater Antonius al-Suriani. Von 1955 bis 1962 war Sch. als Privatsekretär des späteren koptischen Kirchenoberhaupts Kyrillos VI. (1959-1971) tätig. Im Sept. 1962 erfolgte die Weihe zum Allgemeinen Bischof mit dem Namen Anba Schenouda (ohne Diözese, mit dem Zuständigkeitsbereich "Religiöse Unterweisung und christliche Erziehung") und die Ernennung zum Direktor des koptisch-orthodoxen Theologieseminars. Er erhielt das Leitungsamt über alle koptisch-religiösen Institutionen in Kairo. In seiner neunjährigen Amtszeit als Bischof widmete sich Sch. vor allem der Arbeit mit Jugendlichen; dabei galt sein besonderes Augenmerk der Schaffung von Sonntagsschulen, wo Jugendliche nicht nur durch religiöse Erziehung, sondern auch durch Freizeitangebote sozial und psychisch gestützt werden sollten.
Wahl zum koptischen Patriarchen Am 31. Okt. 1971 wurde Sch. durch Losentscheid unter insgesamt drei Kandidaten zum Nachfolger des am 8. März 1971 verstorbenen Patriarchen Anba Kyrillos VI. gewählt. Die Weihe zum Papst von Alexandria und zum Patriarchen der koptisch-orthodoxen Kirche mit Sitz in Kairo, bei der Sch. den arabisierten Namen des koptischen Mönchsvaters und Schriftstellers Schenute von Atripe (vermutlich 358-466) annahm, erfolgte am 14. Nov. des Jahres. Mit der Inthronisation wurde er der 117. Nachfolger des Evangelisten Markus. Auf ihn, den Schreiber des ältesten Evangeliums und Gründer der ersten christlich-theologischen Schule in Alexandria, führen die Kopten ihre Tradition zurück.
Die Bezeichnung "Kopte" stammt von dem Wort "aikoptos", das die Christen nach der Islamisierung Ägyptens im 7. Jahrhundert von dem griechischen Wort "aigyptos" (in Homers Odyssee erstmals für die Bewohner Ägyptens erwähnt) ableiteten, um zu verdeutlichen, dass sie sich als die echten Nachkommen der pharaonischen Ägypter betrachten. Auch in ihrer Liturgie verwendeten die koptischen Christen noch eine Spätform der altägyptischen Sprache. Zahlenmäßig bildeten sie die größte christliche Gemeinde im Nahen Osten und stellten in Ägypten etwa zehn Prozent der 80 Mio. Einwohner; weltweit wird die Zahl der Kopten auf 12 Mio. geschätzt. Größere Gemeinden sind mittlerweile sowohl in Nordamerika, Europa und Australien als auch im Nahen Osten und in Afrika zu finden. Für die Zunahme koptischer Gemeinden außerhalb Ägyptens werden verschiedene Ursachen genannt. Gaben in der Amtszeit von Gamal Abdel Nasser (1954-1970) die neu eingeführten Sozialisierungsmaßnahmen Anlass für die Emigration zahlreicher, meist reicher Kopten, waren es unter der Regierung von
Sch. zeichnet sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger vor allem durch seine Bestrebung aus, eine "aktivere soziale, religiöse, und auch internationale Rolle zu spielen" (Orient 38,1997, S. 8-11). Seit seiner Amtseinführung bemühte er sich besonders um die Stärkung der innerägyptischen Seelsorge, die Hebung des Bildungsniveaus der Kopten sowie den Zusammenhalt der Gemeinde. Er veranlasste, dass zahlreiche soziale Einrichtungen für Kinder und Familien entstanden, erhöhte die Zahl der eingesetzten Bischöfe und Priester und pflegte auch auf inhaltlich-religiöser Ebene intensive Kontakte zu den einzelnen Gemeinden im In- und Ausland. Sch. gelang es zudem, unter den jungen Kopten Nachwuchs zu finden, so dass sich die Zahl der Studenten am Theologenseminar in Kairo verdreifachte. Akademisch gebildete Nonnen und Mönche sorgten seit Beginn der 90er Jahre für eine Renaissance der Wüstenklöster, die sich wieder in kulturelle Zentren und Pilgerorte verwandelt haben.
Ökumenischer Dialog Sch., der auf seinen Auslandsreisen von vielen westlichen Staatsmännern empfangen wurde, suchte dort auch den ökumenischen Dialog. Im Sept. 1971 legte er als Abgesandter der koptisch-orthodoxen Kirche bei den Konsultationen zwischen Theologen der römisch-katholischen und der orientalisch-orthodoxen Kirchen in Wien eine Formel vor, die zur Grundlage für den von Papst Paul VI. aufgenommenen Dialog wurde. Die Besuche beim Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel,
Konflikt mit dem Islam Als sich unter der Präsidentschaft Sadats die politische und wirtschaftliche Lage Ägyptens verschlechterte, kam es vermehrt zu Übergriffen auf Mitglieder der koptischen Kirche. Parallel dazu verbreiteten sich – von Sch. offiziell immer wieder dementierte – Gerüchte über christliche Sezessionsabsichten und die Gründung eines eigenen Staates in Oberägypten. Schließlich kulminierte der Konflikt am 6. Sept. 1981, als Sadat neben mehr als tausend anderen vermeintlichen Regimegegnern etwa 170 koptische Geistliche verhaften ließ. Sch., der in seinen Predigten immer wieder die Einführung des islamischen Rechts (Scharia) als Grundlage für die Rechtsprechung kritisiert hatte, wurde von Sadat als Kirchenoberhaupt abgesetzt und in dem im Wadi Natrun gelegenen Kloster Deir Anba Bischoi unter Hausarrest gestellt. Die Kirchenführung wurde stellvertretend einer (innerkirchlich nie anerkannten) "leitenden Bischofssynode" übertragen. Sch. wies alle Vorwürfe, er habe "Zwietracht" zwischen der islamischen Mehrheit und den Kopten säen wollen, zurück und bekannte sich als ägyptischer Patriot. Zum 1. Jan. 1985 setzte
Zwar bemühte sich die Regierung Mubarak in der Folge um ein entspanntes Verhältnis zur koptischen Kirche, doch kam es infolge der "schleichenden Neo-Islamisierung aller Lebensbereiche" (SZ, 6.1.2011) seit Ende der 80er Jahre immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen extremistischen islamischen Gruppen und den Kopten. Anschlägen bzw. Massakern fielen zwischen 1992 und 2011 Hunderte von Kopten zum Opfer. Nach dem von Präsident Mubarak scharf verurteilten Bombenanschlag auf die koptische Allerheiligenkirche in Alexandria während eines Gottesdienstes am Neujahrstag 2011 kam es zu teilweise gewalttätigen Protesten koptischer Christen und zu Zusammenstößen zwischen koptischen und muslimischen Jugendlichen. Sch. appellierte an seine Glaubensbrüder, auf Gewalt zu verzichten, und sah die ägyptische Regierung "in der Pflicht", sich endlich ernsthaft mit den Anliegen der von Staat und Gesellschaft diskriminierten Kopten auseinanderzusetzen. Dennoch kam es zu weiteren Anschlägen auf koptische Kirchen im Mai (Kairo) und Okt. (Assuan) 2011 und nachfolgend zu schweren Straßenschlachten zwischen Muslimen und koptischen Christen. Vom "Arabischen Frühling" 2011, dem Sturz Mubaraks und der Parlamentswahl im Herbst des Jahres konnten die Kopten nicht profitieren: Im neu gewählten Parlament waren unter den 498 Abgeordneten nur 11 Christen (2 %).
Kritik Als Befürworter der nationalen Einheit Ägyptens schuf sich Sch. auch Gegner unter den ägyptischen Kopten. Er übernahm die offizielle ägyptische außenpolitische Position für eine einheitliche arabische Front gegen Israel und drohte sogar ägyptischen Kopten mit der Exkommunikation, sollten sie die heilige Stadt Jerusalem besuchen. Auch seine "Politik des Schweigens und Duldens" (SZ, 9.1.2011) gegenüber der Regierung ließ viele Gläubige auf Distanz zum Patriarchen gehen. Nicht zuletzt die konservative Familienpolitik von Sch., dem junge Priester und Nonnen einen autoritären Führungsstil vorwerfen, wird von Kritikern verurteilt. Nachdem beispielsweise das Scheidungsrecht von Sch.s Vorgängern bereits gelockert worden war, gilt unter Sch. nur noch Ehebruch als offiziell anerkannter Scheidungsgrund. Grundsätzlich gilt die Koptenkirche als extrem konservativ, da sie nie reformiert wurde.
4. November 2012: In Kairo wird Bischof Tawadros aus Beheira im Nildelta zum neuen Patriarchen der koptischen Christen bestimmt. Als
Seine Aktivitäten teilte Sch. auf zwei Wohnsitze auf: In Kairo war er von Montag bis Donnerstag, wo er neben Lesungen an der Theologischen Fakultät regelmäßig die sog. "Predigt am Mittwoch" hielt; den Rest der Woche weilte er im Kloster im Wadi Natrun, wo er in Ruhe seine zahlreichen theologischen Schriften (über 100 Bücher) verfasste.
17. März 2012: Der Patriarch der koptisch-orthodoxen Kirche,
Veröffentlichungen u. a.: "Die geistige Erweckung" (92), "Befreiung der Seele", "Fragen der Menschen aus vielen Jahren" (93), "Von der Offenbarung der Geburt Christi", "Betrachtungen über die Bergpredigt" (94), "Ein Leben im Glauben" (98), "Die sieben Worte Christi am Kreuz", "Die Gottheit Christi" (99), "Was ist der Mensch?" (05), "Er zeigte mir sein zartes Herz: Glaubensweisheit aus der koptischen Kirche" (06). Sch. ist Herausgeber des "El-Keraza Magazine" (seit 65).
Auszeichnungen u. a.: UNESCO-Madanjeet Singh Prize (00); Ehrenbürger mehrerer US-Städte; Ehrendoktor von Bloomfield College/New Jersey (77), St. Peter's College/New York, St. Vincent College/Pittsburgh, Universität Bonn (90).
Mitgliedschaften/Ämter u. a.: Präs. der Association of Theological Education in Near East (ATENE; 65), Ehrenmitglied des Präsidiums der Christl. Friedenskonferenz (CFK; 85), Präs. des Ökum. Rats der Kirchen (91-98), Vors. des Rats der Kirchen im Nahen Osten (MECC).
Letzte Adresse: c/o Coptic Orthodox Patriarchate, St Mark Cathedral, Anba Ruess, 222 Ramses St., 11381 Kairo, Abbasiya, Ägypten