Werner Fritsch
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Internationales Biographisches Archiv
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW
Werner Fritsch wurde am 4. Mai 1960 in Waldsassen als Sohn eines Landwirte-Ehepaares geboren. Er wuchs zusammen mit zwei Geschwistern (Helmut, Renate) auf einem Einödhof bei Hendelmühl in der Oberpfalz auf. Seine Schwester (geb. 1964) starb 2004. Schon früh lauschte F. den Erzählungen alter Menschen, interessierte sich für Natur und Religion.
F. machte 1980 in Weiden Abitur und leistete dann seinen Wehrdienst ab (1980/1981).
Werke 1982-1998Nach Ende des Wehrdienstes widmete sich F. bis 1984 dem Aktionstheater und Performances. Als Prosaautor stellte er sich 1987 der literarischen Öffentlichkeit mit dem Roman "Cherubim" (1988 unter dem Titel "Das sind die Gewitter in der Natur" von F. verfilmt) vor, an dem er eigenen Angaben zufolge rd. zehn Jahre gearbeitet hatte. In diesem mit viel Kritikerlob aufgenommenen Debüt erzählt F. in 203 Einstellungen die Lebensgeschichte, die Träume und die Spinnereien des auf dem elterlichen Hof arbeitenden Bauernknechts Wenzel. In dem Buch, das Jörg Drews in der Süddeutschen Zeitung (27.6.1987) "ein wunderbares Duett" nannte, werden aber nicht nur ein Proletarierleben aus dem deutsch-böhmischen Grenzland, Erlebtes und Erlittenes aus der Weimarer Zeit und der KZs der Hitlerzeit nacherzählt, sondern es entfaltet auch fantastische Lügenmärchen dort, wo der Autor und sein Held den Leser nach Afrika zu "Löwentiger" und Krokodilen entführen.
F.s Schreiben blieb auch in der Folge der Region seiner Kindheit verhaftet. Natur, Mystik, Muttergottes und gefallene Engel, Leben und Tod sowie das Dasein der Dorfmenschen, ihr Glück und ihre Trauer, Sehnsucht und Versagen - diesen Kosmos variierte und reproduzierte er in den 1990er Jahren in seinen viel beachteten Erzählungen und Hörspielen, Theaterstücken und Filmen. Dabei setzte er Archaik und Religiosität seiner Heimat immer wieder in eine historische Dimension. Private Geschichten schlagen sich regelmäßig auf die große Geschichte, bevorzugt die deutsche NS-Vergangenheit, durch. Kritiker lobten F. als einen der eigenständigsten Nachwuchsautoren.
Den begehrten Hörspielpreis der Kriegsblinden für das Jahr 1992 sicherte sich F. im März 1993 mit dem beim Südwestfunk urgesendeten, mehrschichtigen, oft dramatischen Monolog "Sense" (1992), der einen alten Bauern zu Wort kommen lässt, dessen eigene Erlebniswelt sich überwiegend in Kriegserinnerungen und in Klagen über das Ende seines Schäferhundes erschöpft. Als ein Opfer seiner Zeit, deformiert als Soldat im Osten, macht sich der Bauer Lukas hilflos und verbohrt einen Reim auf eine - auch durch gegenwärtige Katastrophen - aus den Fugen geratene Welt. "Mit sich steigernder Intensität", so befand die in Leipzig zusammengekommene Hörspielpreisjury, entwickelte F. "das Porträt dieses sehr gewöhnlichen Menschen" in einer rauen, "durch den bayerischen Dialekt belebten Sprache des Monologs". Am 9. Okt. 1993 brachte das Bonner Schauspiel den furiosen Monolog des Bauern Lukas in einer vom Autor inszenierten Bühnenfassung zur Uraufführung.
Ein Theaterskandal begleitete 1992 die nach erheblichen Widerständen schließlich vom Bonner Schauspiel übernommene Uraufführung des F.-Dramas "Fleischwolf", in dem der Autor ein Jahr nach dem Golfkrieg eigene Bundeswehr-Erfahrungen verarbeitete. Seinen Angaben zufolge sollte das Stück jene "Militanz in der Gesellschaft aufzeigen, die sich während des Krieges im Irak entladen hat" (SZ, 16.10.91). Die Uraufführungsinszenierung von
Einen im Untertitel als "Legende" gekennzeichneten Text mit dem Titel "Stechapfel" legte F. 1995 vor und befasste sich hier mit dem Leben des in der Oberpfalz arbeitenden, inbrünstig religiösen Bauern Isidor. Auf Motive eines spätmittelalterlichen Bilderzyklus' aus seiner Oberpfälzer Heimat griff F. für sein im Jan. 1998 in Darmstadt uraufgeführtes Traumspiel "Wondreber Totentanz" zurück, das DIE WELT (20.1.1998) einen "Höllensturz ins Ich" nannte.
Werke ab 1998Im Dez. 1998 erhielt F. das erstmals vergebene Stipendium für einen Theaterautor des Landes Baden-Württemberg, womit sein Aufenthalt als Hausautor am Nationaltheater Mannheim im Jahre 1999 unterstützt wurde. Er brachte dort im Frühjahr 2000 seine zu einem Monolog umgearbeitete szenische Lesung "Steinbruch" mit Bernd Höscher in der Rolle des von "geisteskranken Sprengköpfen" zum Mörder und Faschisten abgerichteten Bundeswehrsoldaten heraus und bestätigte mit diesem drastischen Text seinen Ruf, einer der verstörendsten deutschen Dramatiker zu sein. Auf geteilten Anklang stieß am Deutschen Theater in Berlin die Premiere seiner von
Zur EXPO in Hannover (2000) entstand F.s weitgehend positiv gewürdigtes Stück "Chroma - Farbenlehre für Chamäleons" (UA Darmstadt) über die "Kunsttriumphe und Lebensniederlagen" (vgl.: SPIEGEL, 17/2001) des Schauspielers, Regisseurs, Intendanten und "berühmten Verstellungskünstlers"
Trotz auch immer wieder vernichtender Kritiken legte F. in den Folgejahren den Schwerpunkt seiner schriftstellerischen Arbeit auf das Schreiben von Theaterstücken. Am hessischen Staatstheater in Darmstadt waren 2004 gleich zwei Uraufführungen seiner Werke zu sehen: das vom Theater selbst in Auftrag gegebene Stück "Bach. Traumspiel", in dem F. Autobiografisches wie den Tod seines Vaters aufarbeitete, sowie "Enigma Emmy Göring", ein Monolog der Hermann-Göring-Gattin Emmy, der später als Hörspiel großen Erfolg erzielte und zahlreiche Preise einheimste. Nach einigen, von der Kritik eher weniger beachteten Uraufführungen u. a. in Freiburg, München und Köln stieß F.s Drama, "Bring mir den Kopf von Kurt Cobain", das bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen 2009 uraufgeführt wurde, wieder auf größeres Zuschauer- und Kritikerinteresse. Während die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (7.6.2009) F.s Erklärungsversuche für den Tod des Nirvana-Sängers als "Proseminar" abtat, lobte die Stuttgarter Zeitung (16.6.2009) F.s Werk als "anregend", weil es sich nicht in "Nacherzählbarem erschöpft. Es ist Sprachkunst, für das Sprechen auf der Bühne bestimmt".
Zu einer multimedialen Performance geriet F.s Stück "Die Sonne auf der Zunge", das 2011 in einer Inszenierung von Jörg Fürst im Kölner A.Tonal.Theater seine Uraufführung erlebte. Drei Schauspielerinnen erzählten, sangen und spielten darin F.s drei Geschichten, die in der mythischen Antike, in einem Konzentrationslager und in einer Gegenwart, in der die Anschläge vom 11. Sept. 2001 eine Rolle spielen, angesiedelt sind. Noch im gleichen Jahr lief F.s "furioses Fernsehexperiment für abenteuerlustige Kulturbürger" (vgl.: SPIEGELONLINE, 6.1.2011) "Faust Sonnengesang" im TV-Spartensender BR-alpha. Mit Starschauspielern wie
Nachdem F. mehrere Semester lang als Gastprofessor für Dramatik und Neue Medien am Leipziger Literaturinstitut gearbeitet hatte, war er 2009 im Rahmen einer fünfteiligen Poetik-Vorlesungsreihe mit dem Titel "Die Alchemie der Utopie" an der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität in Frankfurt am Main zu hören. Dabei dozierte er hauptsächlich über seine eigenen Werke und "präsentierte Frankfurt eine Poetik der Weltabgewandtheit", wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (12.2.2009) urteilte.
F. ist seit 27. Jan. 1994 mit der Autorin Uta Ackermann-Fritsch verheiratet. Er lebt in Berlin und Hendelmühle/Oberpfalz.
Theaterarbeiten u. a.: "Steinbruch" (89/95), "Jetzt - Hinabgestiegen in das Reich der Toten" (92; UA, Esslingen), "Fleischwolf. Gefecht" (92; UA, Bonn), "Sense" (92; Hörspiel, Theater UA 93, Bonn), "Gründgens.Libretto" (95; UA, Hamburg), "Die Reise nach Wart" (96; UA, Lindenhof), "Wondreber Totentanz" und "Es gibt keine Sünde im Süden des Herzens" (98; UA, Darmstadt), "Cherubim. Monolog" (98; UA, Mannheim), Libretto "Joseph Süss" (99; UA, Bremen; mit Uta Ackermann), "Die lustigen Weiber von Wiesau" (00; UA, Berlin), "Steinbruch" (00; UA, Mannheim), "Aller Seelen" (00; UA, Hamburg), "Chroma - Farbenlehre für Chamäleons" (00; UA, Darmstadt), "EULEN:SPIEGEL" (02; UA, Braunschweig), "Nico. Sphinx aus Eis" (02; UA, Darmstadt), "Schwejk?" (03; UA, Linz), "Supermarkt" (03; UA, Memmingen; mit Uta Ackermann), "Hydra Krieg" (03; UA, Linz), "Enigma Emmy Göring" (04; UA Darmstadt, auch als Hörspiel), "Bach. Traumspiel" (04; UA Darmstadt), "Hans im Glück - oder Das Theater der Ökonomie" (05; UA Freiburg), "Das Rad des Glücks" (05, München), "Magma" (06; UA Köln), "Der Atem des Laotse" (07; UA Bochum), "Bring mir den Kopf von Kurt Cobain" (09; UA Recklinghausen), "Paradies" (09; UA Bochum), "Dieser Augen Blick" (10; UA Bochum), "Die Sonne auf der Zunge" (11; UA Köln), "Jean Paul jetzt" (13; UA Berlin).
Veröffentlichungen u. a.: "Cherubim" (87; Roman), "Steinbruch" (89), "Sense" (92), "Das sind die Gewitter in der Natur" (92; Filmbuch), "Stechapfel. Legende" (95), "Böhmen - Ein literarisches Porträt" (98; mit Uta Ackermann), "Es gibt keine Sünde im Süden des Herzens" (98; Stücke), "Jenseits" (00; Kurzgesch.), "Die lustigen Weiber von Wiesau" (00; Stück und Materialien), "Aller Seelen. Golgatha" (00; Stücke und Materialien), "Hieroglyphen des Jetzt" (02; Materialien und Werkstattberichte), "Chroma/EULEN:SPIEGEL" (02; Stücke und Materialien), "Schwejk?" (03), "Hydra Krieg. Stücke und Materialien" (03), "Nico. Sphinx aus Eis - Monolog" (04), "Enigma Emmy Göring" (07), "Die Alchemie der Utopie - Frankfurter Poetikvorlesungen 2009" (09).
Filme u. a.: "Das sind die Gewitter in der Natur" (88), "Disteln für die Droste" (97), "Labyrinth" (99), "Chroma Faust Passion" (00), "Ich wie ein Vogel" (08), "Faust Sonnengesang" (11).
27. Dezember 2015: ARD-alpha: "Faust Sonnengesang II". Ein Filmgedicht von
2016: "Die Bibel. Das Projekt". 21 Hörspiele und Essays von
25. März 2018: Premiere im Filmmuseum München: "Faust Sonnengesang III (America). Ein Filmgedicht". Von
Auszeichnungen: Robert-Walser-Preis (87), Preis des Landes Kärnten beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb (87), Rauriser-Literaturpreis (88), Hörspielpreis der Kriegsblinden (93), Bayerischer Staatsförderpreis für Literatur (96), Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis (97; mit Volker Lüdecke), Stipendium des Landes Baden-Württemberg (98), Förderpreis zum Heimito-von-Doderer-Literaturpreis (99), "Hörspiel des Jahres 2006" (07; für "Enigma Emmy Göring"), ARD-Hörspielpreis (07; für "Enigma Emmy Göring"), Arno-Schmidt-Stipendium (07), Peter-Suhrkamp-Stipendium (11), Sinecure Landsdorf (12), Carl-Djerassi-Stipendium (13), Grand Prix Marulic, Zagreb und Grand Prix Nova in Gold, Bukarest (13; für Hörgedicht "Faust Sonnengesang"). Im Dezember 2013 gab die Deutsche Schillerstiftung bekannt, dass sie F. 2014 die Schiller-Ehrengabe verleihen wird.
1. März 2016:
Oktober 2016:
Mitgliedschaften: F. ist Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland und der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.
c/o Werner Fritsch Filmproduktion, Knaackstraße 31, 10405 Berlin, E-Mail: kontakt@werner-fritsch-filmproduktion.de, Internet: www.werner-fritsch-filmproduktion.de