MUNZINGER Wissen, das zählt | Zurück zur Startseite
Wissen, das zählt.


MUNZINGER Personen
Ernesto Zedillo Ponce de León

Ernesto Zedillo Ponce de León

mexikanischer Politiker; Staatspräsident (1994-2000); Ph.D.
Geburtstag: 27. Dezember 1951 Mexiko-Stadt
Nation: Mexiko

Internationales Biographisches Archiv 39/2000 vom 18. September 2000 (ne)
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 31/2021


Blick in die Presse

Herkunft

Ernesto Zedillo Ponce de León wurde am 27. Dez. 1951 in Mexiko-Stadt als Sohn eines Elektrikers geboren und wuchs in relativ bescheidenen Verhältnissen in der Stadt Mexicali (Baja California) an der Grenze zu Kalifornien auf. Seine Mutter arbeitete zeitweise als Wäscherin. Z. trug mit Zeitungsverkauf und anderen kleinen Jobs zum Lebensunterhalt der Familie bei.

Ausbildung

Nach dem Besuch weiterführender Schulen absolvierte er 1969-1972 ein wirtschaftswissenschaftliches Studium am Instituto Politécnico Nacional (IPN) in Mexiko-Stadt. 1974 setzte er sein Studium der Volkswirtschaft an der renommierten amerikanischen Yale University fort, an der er zunächst den Master-Grad, 1978 auch den Doktorgrad erwarb. In der Doktorarbeit beschäftigte sich Z. mit der Verschuldung und der volkswirtschaftlichen Entwicklung Mexikos.

Wirken

Bereits während seines Studiums am IPN hatte Z. einen Teilzeitjob im Amt für Wirtschaftspolitik des Präsidenten. 1971 trat er der mexikanischen Revolutions- und Staatspartei Partido Revolucionario Institucional (PRI) bei. Als enger Freund und langer politischer Weggefährte des späteren Präsidenten Carlos Salinas de Gortari (1988-1994) gehörte er in den 80er Jahren zu den jungen Technokraten innerhalb der PRI, die sich der wirtschaftlichen Öffnung und Modernisierung verschrieben hatten.

Nach Ende seines Studiums in den USA lehrte Z. 1978 zunächst am IPN und am Colegio de México und wurde dann für die mexikanische Zentralbank tätig. 1982-1983 war er stellv. Leiter für Wirtschafts- und Finanzforschung, und 1983 baute er einen Treuhandfonds (FICORCA) für hochverschuldete Unternehmen auf, dem er bis 1987 vorstand. Sein Einsatz für diese Firmen und seine geschickten Verhandlungen mit den ausländischen Kreditgebern brachten ihm großes Ansehen in Wirtschaftskreisen.

1987-1988 im Planungs- und Haushaltsministerium als Staatssekretär tätig, erhielt er im Dez. 1988 mit dem Amtsantritt von Salinas als neuem Präsidenten als Planungsminister selbst einen Kabinettssitz. In dieser Funktion war er auch an der Ausarbeitung des populären Solidaritätsprogrammes ("Solidaridad") des Präsidenten beteiligt, mit dem die Härten der Strukturanpassung mit Milliardeninvestitionen (4,8 Mrd. DM) im Bereich der Infrastruktur und der Sozialleistungen abgemildert werden sollten. Von 1989 bis 1992 war Z. auch für das Ausgaben-Budget Mexikos zuständig. 1992 wechselte er ins Erziehungsministerium; zu dieser Zeit wurde er als möglicher Nachfolger Salinas gehandelt. Z. führte erfolgreich die Dezentralisierung der Bildungspolitik durch, erlitt aber 1993 bei der Einführung neuer Geschichtsschulbücher eine heftige Schlappe. Die unter Z.s Leitung überarbeiteten Bücher wurden in ihrer Darstellung der jüngeren mexikanischen Geschichte stark kritisiert, so dass sie kurz vor ihrer Auslieferung zurückgezogen werden mussten.

Im Nov. 1993 gab die seit 1929 ununterbrochen regierende PRI ihren Präsidentschaftskandidaten für die Wahlen am 21. Aug. 1994 bekannt. Entschieden wurde traditionsgemäß durch einen so genannten Fingerzeig des amtierenden Präsidenten, der mit dem "dedazo", dem dicken Finger, auf den von ihm vorgesehenen Nachfolger wies. Salinas Wahl fiel auf den Sozialminister Luis Donaldo Colosio. Spekulationen über weitere mögliche Kandidaten wurden damit beendet. Mit dem "Fingerzeig" stand der künftige Präsident schon so gut wie fest, da die korporatistische Organisation der PRI auch weitgehende Zustimmung bei Gewerkschaften, Bauernorganisationen und anderen Verbänden garantierte. Als 1988 der Sieg des PRI-Kandidaten mit 50,3 % vergleichsweise knapp ausfiel, soll die Regierungspartei sogar zum Mittel massiver Wahlmanipulationen gegriffen haben.

Fünf Monate vor dem Wahltermin, am 23. März 1994, fiel Colosio bei einer Wahlversammlung im nordmexikanischen Tijuana einem Attentat zum Opfer. Nur eine Woche später wurde Z., der seit Nov. 1993 Leiter der Präsidentschaftskampagne Colosios gewesen war, der Öffentlichkeit als neuer Präsidentschaftskandidat der PRI vorgestellt. Seine Wahl war innerhalb der PRI-Führung nicht unumstritten. Z. galt ebenso wie Colosio als Garant für die Kontinuität der wirtschaftlichen Modernisierungspolitik, verfügte aber über geringere parteipolitische Erfahrung und einen geringeren Popularitätsgrad, da sein Name nur selten mit Bemühungen um eine dringend nötige weitere Demokratisierung und mehr soziale Gerechtigkeit in der mexikanischen Gesellschaft in Zusammenhang gebracht wurde.

Nicht zuletzt dank der hervorragenden Parteiorganisation und immensen Wahlkampfaufwendungen (die PRI gab etwa 20-mal so viel Geld aus wie alle anderen Parteien zusammen) erzielte Z. bei den Präsidentenwahlen am 21. Aug. 1994 einen deutlichen und in dieser Höhe kaum mehr erwarteten Sieg. Bei einer Wahlbeteiligung von 78 % fielen nach Abzug der ungültigen Stimmen auf Z. 50,2 %, auf Diego Fernández de Cevallos vom rechtsgerichteten Partido Acción Nacional/PAN 26,7 % und auf Cuauhtémoc Cárdenas vom linksgerichteten Partido de la Revolución Democrática/PRD 17,1 %. Bei den gleichzeitig abgehaltenen Parlamentswahlen gewann die PRI mit ebenfalls 50,2 % 300 von 500 Sitzen, im 128-köpfigen Senat 95 Sitze. Von der Opposition beanstandete Wahlmanipulationen wurden von ausländischen Beobachtern als nicht wahlentscheidend gewertet. Am 1. Dez. 1994 trat Z. das Präsidentenamt an.

Der Regierungsstart Z.s, der als "presidente accidental" (Präsident aus Versehen) galt, war zunächst alles andere als leicht, da Mexiko kurz nach seinem Amtsantritt von einer schweren Finanzkrise heimgesucht wurde. Der Peso fiel nach Freigabe des Kurses im Dez. 1994 ins Bodenlose und verlor bis Jahresende etwa die Hälfte seines Wertes. Gleichzeitig spitzte sich die Lage im südlichsten Bundesstaat Chiapas zu. Nachdem die Rebellenorganisation Zapatistisches Nationales Befreiungsheer (EZLN) dort bereits im Oktober die Friedensgespräche abgebrochen hatte, begann sie nach einer ihrer Meinung nach gefälschten Gouverneurswahl mit bewaffneten Aktionen, um die "Einkreisung durch das Militär" zu beenden. Z. reagierte darauf zunächst mit militärischer Gewalt und führte erst im Laufe des Jahres 1995 neue Verhandlungen, die ergebnislos blieben.

Der Wirtschaftskrise setzte Z. im Jan. 1995 ein Notprogramm entgegen, das u. a. eine Lohn- und Preiskontrolle sowie Budgetkürzungen enthielt. Später verordnete er einen Anstieg der Mehrwertsteuer von 10 auf 15 %. Darüber hinaus konnte er auf ein Hilfspaket der USA und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgreifen und so die makroökonomische Entwicklung allmählich wieder in Schwung bringen. Die Auswirkungen der Krise auf die Bevölkerung - wachsende Arbeitslosigkeit, sinkendes Realeinkommen, steigende Preise - hielten jedoch über Jahre an und nährten die Zweifel an dem als zaghaft und schwach kritisierten Präsidenten.

Pluspunkte in der Gunst der Bevölkerung sammelte Z., als er am 17. Jan. 1995 mit den Parteien des Landes ein als "historisch" bezeichnetes Abkommen schloss, das das politische System des Landes reformieren und eine Beschneidung der Privilegien der seit 65 Jahren regierenden PRI mit sich bringen sollte. Einen weiteren Schritt des Entgegenkommens tat Z. mit der Ernennung des Oppositionspolitikers Antonio Lozano Gracia zum Justizminister, den er allerdings Ende 1996 wieder entließ. Positiv angerechnet wurde dem Präsidenten auch das scharfe Vorgehen gegen den Bruder seines Vorgängers Raul Salinas, der 1995 wegen Verdachts auf Betrug, Verwicklung in Drogenhandel und Anstiftung zu dem 1994 verübten Mord an dem Generalsekretär des PRI, José Francisco Ruiz Massieu, festgenommen und Anfang 1999 zu gut 27 Jahren Haft verurteilt wurde.

Während Z.s angekündigter Kampf gegen die Korruption - besonders auch bei Fällen innerhalb seiner eigenen Partei - oft als zu unentschlossen kritisiert wurde, war er mit der Erfüllung seines Wahlversprechens von verstärkter Demokratisierung erfolgreicher. Durch eine Wahlreform wurde eine regierungsunabhängige Wahlbehörde geschaffen, und die Wahlkampffinanzierung sollte für alle Parteien gleich erfolgen. Mit dieser Linie erregte Z. - vor allem nach Wahlverlusten des PRI bei Gouverneurs- und Kommunalwahlen - den Widerstand der sog. "Dinosaurier", der konservativen Mitglieder seiner Partei. Bereits im Aug. 1995 ließ Z. deshalb die Parteivorsitzende Maria de los Angeles Moreno, die sich weigerte, die geplante Demokratisierung der Partei mitzutragen, entlassen und durch den reformfreudigen Santiago Oñate ersetzen.

Bei den Parlamentswahlen vom 6. Juli 1997 verlor der PRI erstmalig in seiner Geschichte die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Mit 239 Sitzen blieb er zwar stärkste Fraktion und behielt auch im Senat die Mehrheit, doch ein Oppositionsbündnis von PRD (125 Sitze), PAN (121 Sitze), Partido Verde Ecologista de México (PVEM; 8 Sitze) und Partido del Trabajo (PT; 7 Sitze) konnte von nun an die Unterhauspolitik bestimmen und als Gegengewicht zum Präsidenten agieren. Nach der Wahlniederlage wuchs die parteiinterne Kritik an Z., der bei der Parlamentseröffnung nur knapp durch seine persönliche Intervention eine Verfassungskrise verhindern konnte, als die PRI-Fraktion durch einen Boykott verhindern wollte, dass ein Oppositionspolitiker das Amt des Parlamentssprechers übernahm.

Während seiner gesamten Regierungszeit musste sich Z. mit dem weiterhin ungelösten Konflikt im Bundesstaat Chiapas auseinandersetzen. Immer wieder scheiterten die Verhandlungen, und es kam zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen EZLN und Armee oder sogar zu Massakern an der Indio-Bevölkerung, wie im Dez. 1997. Im Sept. 1999 versuchte Z. erneut, Frieden im Bundesstaat Chiapas zu schaffen. Er schlug der Zapatisten-Guerilla die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen mit Hilfe eines Gremiums unabhängiger Persönlichkeiten als Vermittlerinstanz vor. Hundert inhaftierten Anhängern der EZLN bot er eine Amnestie an.

Um den Demokratisierungsprozess innerhalb seiner Partei zu stärken, verzichtete Z. darauf, per "Fingerzeig" seinen Nachfolger zu bestimmen, sondern schlug dem PRI vielmehr Primärwahlen nach amerikanischem Vorbild vor. Im Nov. 1999 setzte sich der von Z. unterstützte frühere Innenminister Francisco Labastida Ochoa als Präsidentschaftskandidat des PRI durch. Bei den Präsidentschaftswahlen am 2. Juli 2000 gewann jedoch der Oppositionskandidat Vicente Fox, der vom PAN bzw. dem Wahlbündnis "Allianz für den Wechsel" unterstützt wurde, überraschend deutlich mit 42,5 % der Stimmen. Labastida kam nur auf 36,1 %. Damit verlor der PRI nach 71 Jahren die Macht. Z. bestätigte noch in der Wahlnacht das Wahlergebnis und zerstreute damit Befürchtungen, der PRI würde im Falle einer Niederlage Wahlfälschung betreiben. Z. kündigte an, Fox am 1. Dez. 2000 die Amtsgeschäfte zu übergeben. Als wichtigste Erfolge seiner Regierungszeit galten die demokratischen Reformversuche, geordnete Staatsfinanzen und eine wirtschaftliche Stabilität, die sich u. a. in einer boomenden Exportwirtschaft und einer sinkenden Inflationsrate zeigte. Auch die Unterzeichnung eines Freihandelsabkommens mit der EU im März 2000 wurde von Wirtschaftsfachleuten positiv vermerkt.

1. September 2000: Der scheidende mexikanische Präsident Ernesto Zedillo Ponce de León trägt am Tag der erstmaligen Sitzung des neugewählten Abgeordnetenhauses und Senats seinen Rechenschaftsbericht vor. Während er aus seiner eigenen Fraktion, der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI), scharf kritisiert wird, erhält er Beifall von der bürgerlichen Nationalen Aktionspartei (PAN) des künftigen Präsidenten Vicente Fox. Die Partei der Demokratischen Revolution (PRD) von Cuauthemoc Cárdenas wirft Zedillo vor, die Armutsbekämpfung vernachlässigt zu haben. Zedillo verweist dagegen auf wirtschaftliche Fortschritte und führt den erstmals transparenten und fairen Ablauf der Präsidenten- und Parlamentswahl als Beleg für die demokratische Öffnung Mexikos in seiner Regierungszeit an.

6. November 2000: Der scheidende mexikanische Präsident Ernesto Zedillo Ponce de León setzt seinen Kurs zur Stabilisierung der Staatsfinanzen gegen den Protest aus den den Reihen seiner Partei PRI fort. Er kündigt an, mit einer Jahrzehnte alten Praxis zu brechen und den Staatsbediensteten zum Ende der Legislaturperiode keine Sonderzahlung zuzugestehen. Es folgen Demonstrationen und Streiks.

September 2002: Der frühere Staatspräsident Mexikos, Ernesto Zedillo Ponce de León, wird Direktor des Yale Center for the Study of Globalization an der Yale University in New Haven (Connecticut). Er gehört seit 2002 auch dem Vorstand der Alcoa Inc. an.

16. März 2003: Nach Medienberichten ist die ehemalige mexiakanische Regierungspartei PRI wegen eines Verstoßes gegen das Parteispendengesetz zu einer Geldbuße von umgerechnet 92 Mio. US$ verurteilt worden. Der PRI wird vorgeworfen, im Präsidentenwahlkampf 2000 eine Spende der Gewerkschaft des staatlichen mexikanischen Ölkonzerns Pemex von 45 Mio. US$ nicht angegeben zu haben.

1. August 2021: In Mexiko findet ein Referendum über die Frage statt, ob gegen frühere politische Akteure wegen Korruption und Menschenrechtsverstößen ermittelt werden soll. Die Beteiligung liegt mit 7,1 % der Abstimmungsberechtigten weit unter den 40 %, welche das Ergebnis eines Referendums verbindlich machen. Von den Abstimmenden sind allerdings 98,4 % für die Aufnahme von Ermittlungen. Mit der Volksabstimmung wollte Staatspräsident Andrés Manuel López Obrador Unterstützung für Prozesse gegen seine Amtsvorgänger Carlos Salinas de Gortari, Ernesto Zedillo Ponce de León, Vicente Fox Quesada, Felipe Calderón und Enrique Peña Nieto mobilisieren, die er dafür verantwortlich macht, dass Mexiko ein korrupter und dysfunktionaler Staat sei.

Familie

Z. ist mit Nilda Patricia Velasco de Zedillo verheiratet. Das Paar hat fünf Kinder: Ernesto, Emiliano, Carlos, Nilda Patricia und Rodrigo.

Adresse

c/o Yale University, Study of Globalization, 393 Prospect St, New Haven, CT 06511-2252, U.S.A., E-Mail: ernesto.zedillo@yale.edu



Die Biographie von Ernesto Zedillo Ponce de León ist nur eine von über 40.000, die in unseren biographischen Datenbanken Personen, Sport und Pop verfügbar sind. Wöchentlich bringen wir neue Porträts, publizieren redaktionell überarbeitete Texte und aktualisieren darüberhinaus Hunderte von Biographien.
Unsere Datenbanken sind unverzichtbare Recherchequelle für Journalisten und Publizisten, wertvolle Informationsquelle für Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, Grundausstattung für jede Bibliothek und unerschöpfliche Fundgrube für jeden, der mit den Zeitläuften und ihren Protagonisten Schritt halten will.



Lucene - Search engine library