MUNZINGER Wissen, das zählt | Zurück zur Startseite
Wissen, das zählt.


MUNZINGER Personen

Abdellatif Filali

marokkanischer Diplomat und Politiker; Premierminister (1994-1998) und Außenminister (1971-1972, 1985-1999); Dr. jur.
Geburtstag: 26. Januar 1928 Fes
Todestag: 20. März 2009 Paris (Frankreich)
Nation: Marokko

Internationales Biographisches Archiv 26/2009 vom 23. Juni 2009 (la)


Blick in die Presse

Herkunft

Abdellatif Filali entstammte einer angesehenen Familie.

Ausbildung

Er besuchte in Fes die Höhere Schule und studierte danach Rechtswissenschaften in Paris. Dort promovierte er auch zum Dr. jur.

Wirken

Nach dem Studium verschaffte er sich einen Ruf als versierter und fähiger Jurist und genoss u. a. das Vertrauen von König Mohammed V. (1957-1961), des Vaters des späteren Königs Hassan II. (1961-1999). Dieser berief F. 1957 auf einen leitenden Posten im Ministerium des Äußeren. Von 1958 bis 1959 leitete er die Vertretung Marokkos bei der UNO in New York.

Chef des königlichen Kabinetts von 1959 bis 1960, wurde F. 1961 zum Geschäftsträger in Paris ernannt. Nachdem er die marokkanische Mission bei den Benelux-Ländern geleitet hatte, wurde er 1965 Botschafter Marokkos in der Volksrepublik China. 1967 ging er in gleicher Eigenschaft nach Algerien und wurde schließlich Minister für Hochschulfragen in Rabat. Ab Aug. 1969 amtierte F. als Botschafter Marokkos in Madrid, ein besonders wichtiger Außenposten der marokkanischen Diplomatie. Es ging damals nach Rückgabe der spanischen Kolonie Ifni (Jan. 1969) um das weitere Schicksal der von Marokko beanspruchten südlichen Teile der sog. "Spanischen Sahara".

Nach dem gescheiterten Putschversuch gegen Hassan II. vom 10. Juli 1971 übernahm F. in der Anfang August 1971 von Ministerpräsident Mohammed Karim Lamrani gebildeten Übergangsregierung das Außenministerium. Im Sept. 1974 kehrte F. auf seinen Botschafterposten in Madrid zurück. 1975/1976 erfolgte die Räumung der Restbesitzungen Spaniens und die Besetzung durch die marokkanische Armee. Seither schwelte der Streit mit der Sahraui-Befreiungsfront POLISARIO weiter. Im April 1978 übernahm F. wieder die Leitung der Ständigen Vertretung Marokkos bei den Vereinten Nationen in New York. 1980 wechselte der Spitzendiplomat nach London.

Nur ein Jahr später wurde er am 1. März 1981 zum Ständigen Sekretär der Königlichen Akademie von Marokko gewählt und bekleidete diesen Posten bis April 1982. Am 30. Nov. 1983 berief König Hassan II. Lamrani erneut als Ministerpräsident und Chef einer Regierung, in die als Staatsminister die Chefs der verschiedenen Parteien, auch der nichtkommunistischen Opposition, eintraten. Aufgabe dieser Regierung war u. a. die Vorbereitung der Parlamentswahlen vom 14. Sept. 1984, die erneut eine breite Mehrheit für die sog. "Königsparteien" erbrachte; F. übernahm den Posten des Informationsministers.

Nach den Wahlen blieb die Regierung weiter im Amt, doch löste F. im Febr. 1985 Abdelouahed Belkeziz auf dem Posten des Außenministers ab. Ein Wechsel im Außenministerium war erwartet worden, nachdem Marokko in der Westsahara-Frage einige diplomatische Niederlagen in der Organisation der afrikanischen Einheit (OAU) und in der UNO hatte einstecken müssen. Im März 1985 erklärte König Hassan II. erneut die Bereitschaft, ein Referendum in der ehemals spanischen Westsahara abzuhalten, das jedoch immer wieder verschoben und nie durchgeführt worden ist. Marokko schuf seit 1976 außerdem Tatsachen (u. a. den Bau eines Abwehrwalls), die sich nachteilig für die POLISARIO auswirkten und diese zunehmend verhandlungsbereit machten. Von vielen Staaten zwar anerkannt, konnte die Westsahara-Republik keine staatliche Souveränität durchsetzen. 1988 erreichte Marokko mit dem bislang die Sahrauis unterstützenden Algerien einen Ausgleich und die Öffnung der Grenzen. Marokko und die POLISARIO billigten zwar im Aug. 1988 einen neuerlichen UNO-Friedensplan, der aber in den folgenden Jahren nur zur Einrichtung einer UNO-Mission (Minurso) führte.

Die Position F. als Außenminister blieb durch die Tatsache begrenzt, dass sich König Hassan II. die Außenpolitik als eigene Domäne vorbehielt. Auf der anderen Seite war die Zusammenarbeit mit dem König deshalb auch besonders eng.

Ende Mai 1994 entließ Hassan II. zur allgemeinen Überraschung den allerdings schon 75-jährigen Ministerpräsidenten Mohammed Karim Lamrani und ernannte den erfahrenen Diplomaten F. zu dessen Nachfolger. Entgegen den Erwartungen des Hofes hatten die wichtigsten oppositionellen Parteien, Istiqlal und USFP, eine Beteiligung am 4. Kabinett Lamrani vom 11. Nov. 1993 verweigert und damit die Krönung der vom König sorgfältig orchestrierten Liberalisierung der marokkanischen Innenpolitik verhindert, die mit einer 1992 vorgenommenen Verfassungsrevision begonnen und zu den überfälligen Wahlen 1993 geführt hatte.

König Hassan entließ Ende Jan. 1995 die Regierung, beauftragte aber F. sogleich mit der Bildung eines neuen Kabinettes, in dem F. ab 27. Febr. auch weiterhin das Außenressort leitete. Mehr als die Hälfte aller Ministerposten wurden neu besetzt, die meisten Schlüsselressorts bleiben aber unangetastet. Verhandlungen mit dem linksgerichteten Kutla-Bündnis über die Bildung einer Linksregierung waren daran gescheitert, dass König Hassan sich weigerte, seinen engen Vertrauten, Innenminister Driss Basri, abzulösen.

Im März 1998 kam schließlich eine neue, aus sieben Parteien bestehende Mitte-Links-Koalition unter Premierminister Abderrahmane Youssoufi von der sozialdemokratischen Union Socialiste des Forces Populaires (USFP) ins Amt. Seinen Posten als Außenminister konnte F. zunächst behaupten, bis er am 8. April 1999 von König Hassan ohne Angabe von Gründen entlassen wurde. Seine Nachfolge trat Mohamed Benaissa an, zuvor Botschafter in den USA. Wenige Monate später starb am 23. Juli 1999 König Hassan, dessen Erbe König Mohammed VI. antrat.

Familie

F. war mit einer Italienerin verheiratet und lebte nach seinem Rückzug aus der Politik in Rom. Durch die Heirat (1984) seines Sohnes Fouad mit Lalla Myriam, der ältesten Tochter von König Hassan II., war er eng mit dem Königshaus verbunden. F. starb im März 2009 im Alter von 81 Jahren in Paris.



Die Biographie von Abdellatif Filali ist nur eine von über 40.000, die in unseren biographischen Datenbanken Personen, Sport und Pop verfügbar sind. Wöchentlich bringen wir neue Porträts, publizieren redaktionell überarbeitete Texte und aktualisieren darüberhinaus Hunderte von Biographien.
Unsere Datenbanken sind unverzichtbare Recherchequelle für Journalisten und Publizisten, wertvolle Informationsquelle für Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, Grundausstattung für jede Bibliothek und unerschöpfliche Fundgrube für jeden, der mit den Zeitläuften und ihren Protagonisten Schritt halten will.



Lucene - Search engine library