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Nation: | Schweiz |
von Kathrin Klohs
Stand: 15.05.2017
Vom Ursprung der Welt bis zum Zusammenbruch des Ostblocks, vom norddeutschen Lütjenburg bis ins internationale Genf, von immer neuen Perspektivierungen der Liebe bis zum augenzwinkernden Blick auf den Alltag erstreckt sich der erzählerische Kosmos bei Tim Krohn. Immer wieder begegnen seinem Publikum dabei die Schweiz und das intertextuelle Spiel mit wirkmächtigen Vorlagen.
„Fäustchen war einer breiteren Öffentlichkeit bekannt“: Körperlich missgestaltet und seneszent, findet sich die Hauptfigur in Krohns gleichnamigem Romanerstling (1990) von den Eltern verlassen, dem Zugriff der Medizin ausgesetzt und als Monstrosität zur Schau gestellt. Und doch zeichnen sie ihre niedrige Lebenserwartung, ihr altkluges Gedankenkarussell und ihre sentimentale Innenwelt als Außenseiter. Von ihren Rändern aus – betreute Wohngruppe, Halbwelt-Pension, Männerwohnheim – erkundet der Protagonist die Stadt Zürich als Flaneur. Hier trifft er auf andere Versehrte: selbst ernannte Kunst- und Geistessschaffende diesseits der Goldküste, heruntergekommene Zeugen eines vormals revolutionären Zürich, aufgeputzte Glücksritter im Zeitgeist um 1990. „Fäustchen“ erzählt diese Geschichte diskontinuierlich, springt in eine aufbauende Rückwendung, streut wiederholt Träume, Binnenerzählungen, populärkulturelle Versatzstücke und lokale Anekdoten ein. Und immer wieder Musik, so etwa eine „Kleine Zwischenmusik für zwei Hörner“ oder „Little Brown Jug“.
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