Stephan Hermlin

Das nicht sehr umfangreiche Werk Stephan Hermlins nimmt in der modernen deutschen Literatur einen einzigartigen Platz ein. In den weniger als hundert Gedichten und dem halben Dutzend Erzählungen, die er von 1945 bis in die frühen fünfziger Jahre hinein veröffentlicht hat, liegt der Versuch vor, die Schrecken der nationalsozialistischen Herrschaft und den Kampf gegen den Faschismus aus der Erfahrung des unmittelbar Betroffenen heraus mit den Mitteln einer ästhetizistischen Literatur zu gestalten. In der Lyrik manifestiert sich dieses Paradox am schärfsten. Mutet Hermlin doch seinen hermetischen Texten eine umittelbar politische Funktion zu. Einige von ihnen wurden sogar vor 1936 oder nach 1945 als Flugblätter verbreitet. In Hermlins Gedichten verschmilzt die Erinnerung an die im Kampf gegen den Nationalsozialismus Gefallenen mit der an die große Tradition deutscher und französischer Lyrik und wird so zum Instrument der Selbstbehauptung des um sein Überleben und für die Befreiung des Vaterlands kämpfenden Emigranten. Eine vergleichbare Synthese von politischem Engagement und dunkler, hymnischer Poesie findet sich sonst nur noch in den Versen der französischen Résistance, etwa bei dem von Hermlin „über alle ...