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Nation: | Österreich |
von Gerd K. Schneider
Stand: 01.03.2008
Inge Merkel wird als eine typische Wiener Dichterin bezeichnet. Viele ihrer Texte spielen in dieser Stadt, zu der sie ein ambivalentes Verhältnis hatte. Diese Haltung ist besonders in ihrem Essay „Das Wiener Gift“ (1985) evident, in dem sie die Wiener einer gewissen moralischen Haltlosigkeit beschuldigt, die dazu führt, Spott für Verantwortung, Nörgeln für Handeln und Theater für Leben einzusetzen, denn die Bewohner ihrer Heimatstadt verkehrten nicht mit der Realität und griffen auch nicht ein, wenn sie ein Unrecht bemerkten. Dies ist für Merkel das Gift, das die Seele erschlaffen lässt. Dennoch liebt sie die Stadt, „dieses schwül entnervende, gauklerisch verwirrende, charakterlose und korrupte, dieses dreckige und überständige, von seiner Vergangenheit überfressene und übertrunkene Wien im Schimmel seiner musealen Prostitution (…). Ich hänge an dieser Stadt und liebe sie mit Haß und mit Zärtlichkeit, mit Grauen und Gelächter und mit einer kühlen, sachlichen Traurigkeit, die irgendwo etwas frivol getönt ist.“
Diese zwiespältige Einstellung zu Wien, das sie selbst als „dämonisch“ bezeichnet, kommt auch in Merkels erstem Roman „Das andere Gesicht“ (1982) zum Ausdruck: