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Nation: | Deutschland |
von Carsten Rohde
Stand: 15.09.2020
Als Verzweigung der „pontifikalen Linie“ in der deutschen Lyriktradition – für die Bertolt Brecht in seinem „Journal“ vom 22. August 1940 als exemplarischen Vertreter Hölderlin benannt hat, während die profane Linie durch Heine repräsentiert werde – existiert spätestens seit den historischen Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts auch die (sprach-)experimentelle Traditionslinie lyrischen Dichtens. Mit dem (allzu) früh verstorbenen Doyen der jüngeren Ausläufer dieser Linie im deutschen Sprachraum, Thomas Kling, verbindet die Autorin Anja Utler nicht nur eine persönliche Bekanntschaft, sondern auch und vor allem das gemeinsame Wurzeln in grundlegenden ästhetischen Überzeugungen. An vorderster Stelle teilen Utler und Kling die Auffassung von der Materialität und Körperlichkeit von Sprache sowohl in einem akustisch-phonetischen wie in einem visuell-typografischen Sinne. Indem sie das Augenmerk zuallererst auf diese sprachliche Dimension von Lyrik legen, vollziehen beide den für Kunst und Philosophie des 20. Jahrhunderts so charakteristischen linguistic turn in poeticis: Auch die ‚Inhalte‘ ihrer Gedichte haben ihren Ort primär auf einer sprachlichen Ebene, im Material der optischen, phonetischen und semantischen Zeichen (vgl. zu diesem Traditionsbezug auch Utlers Rede „plötzlicher mohn“ von 2007). Verbunden damit ist eine sowohl kritische wie utopische Perspektive: ...