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Nation: | Volksrepublik China |
von Thomas Zimmer
Stand: 01.09.2002
In der Zeit der Liberalisierung während der achtziger und neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts konnte sich in der chinesischen Literatur eine Tendenz etablieren, die sich zum Ziel gesetzt hatte, “die Geschichte neu zu überdenken” (fansi lishi) und die Rekonstruktion der Vergangenheit mit der Suche nach einer neuen Identität zu verbinden. Anders als in den überlieferten Geschichtsdarstellungen der zurückliegenden Jahrzehnte, die der offiziellen Lesart entsprachen und mit denen bis dahin stets Anweisungen zum “richtigen” Verständnis vergangener Ereignisse vorgegeben worden waren, begann man in der Literatur nunmehr damit, scheinbar unbedeutenden Ereignissen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Der “leere Raum” zwischen den bis dahin gebetsmühlenartig wiederholten historischen Ereignissen erfuhr auf diese Weise erstmals eine eigene Würdigung.
In den Werken von Avantgarde-Schriftstellern wie Mo Yan, Ge Fei, Yu Hua und Su Tong, die dieser Richtung des Neohistorismus zuzurechnen sind, wurde nicht nur die Geschichte Chinas seit den zwanziger und dreißiger Jahren, nicht selten auch die Zeit davor aufgearbeitet. Betroffen vom geistigen Vakuum ihrer Zeit, bemühten sich diese Autoren um eine neue Identität für ihr Land, indem sie die Vergangenheit rekonstruierten und von ...