Stand: 01.11.1996
Von Michi Strausfeld
Exkurs in die GeschichteDie Gegenwartsliteratur Spaniens weist mehrere Brüche auf, Einschnitte, die mit den wichtigsten politischen Ereignissen des Landes eng verbunden sind. Um die Hauptzüge der Literatur Spaniens im 20.Jahrhundert skizzieren zu können, ist auf diese historischen Fakten hinzuweisen, da die Geschichte deutlicher als in anderen Ländern die Literaturgeschichte mitgeprägt hat.
Der erste der drei ,kategorischen‘ Einschnitte dieses Zeitraums war das Jahr 1898, als das spanische Imperium seine letzten Kolonien in Übersee verlor: Cuba, Puerto Rico und die Philippinen. Von dem „Reich, in dem die Sonne nicht untergeht“, blieb wenig mehr als das Mutterland übrig. Die Nation stand unter einem Schock. Große politisch-literarische Debatten, schmerzvolle und verständnislose Lamentationen sowie intellektuelle Selbstbefragungen, was das Wesen Spaniens eigentlich ausmache, wie seine Essenz zu definieren sei, resultierten aus dieser militär-politischen Niederlage gegen die USA. Die Diskussionen führten darüber hinaus auch zu gesellschaftlichen Unruhen, denn die sozialen Spannungen, die ungeheuren Gegensätze zwischen reichen Landbesitzern und armen Tagelöhnern, zwischen der aufkommenden Industriebourgeoisie und den ausgebeuteten Arbeitern brachen nun vollends auf und prägten das erste Drittel des Jahrhunderts.
Alfonso XIII. (1886–1941) war ein schwacher König, der die Konfliktsituationen weder im eigenen Land ...