Geburtstag: | |
Todestag: | |
Nation: | Volksrepublik China |
von Susanne Weigelin-Schwiedrzik
Ai Qing – darüber sind sich die Experten einig – ist ein Vertreter des Xin Shi, der neuen Poesie, wie sie seit 1919 in China entstanden ist. Diese neue Form, die aus der Ablehnung des Alten, aus dem Protest gegen die starren Regeln der traditionellen Lyrik, gegen die Exklusivität und Mehrdeutigkeit der vormodernen Schriftsprache hervorging, hat in Westeuropa einen besonders schweren Stand. Obwohl in ihrer ikonoklastischen Grundhaltung der europäischen Moderne verwandt, weckt sie eher Assoziationen zu vormodernen Zeiten der europäischen Lyrik, wenn sie nicht gar auf Ablehnung und Unverständnis aufgrund ihrer Nähe zur Polit- und Trivialliteratur stößt. Der europäische Leser entdeckt nicht in den modernen, sondern in den Gedichten der Tang-Zeit (618–907) die Ausdrucksmittel und das Lebensgefühl, welche er aus der Lyrik seit Baudelaire kennt und schätzt, und obwohl die modernen chinesischen Gedichte sprachlich viel einfacher als die alten sind, haben sie bisher kaum einen Übersetzer, geschweige denn einen Verleger gefunden.
So sehr diese Zurückhaltung aus Unkenntnis geboren ist, hat sie doch eine gewisse Berechtigung. Denn: Was einst unangefochten den ersten Rang in der Hierarchie der chinesischen ...