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Nation: | Mexiko |
von Helmut Spreitzer und Diemo Landgraf
Stand: 01.11.1991
Wo immer die Rede von Juan Rulfo ist, wird auf das Phänomen hingewiesen, dass dieser mexikanische Autor insgesamt nur knapp 300 Seiten publiziert hat und dennoch eine einflussreiche und bedeutende Stellung in der jüngeren Literaturgeschichte Lateinamerikas einnehmen konnte. Vor allem zwei soziokulturelle Faktoren werden hierfür als ausschlaggebend genannt: die spezielle historische Situation, in der Rulfo schrieb, und der sich damals entwickelnde mexikanische Literaturbetrieb. So wurde nach einer nationalliberal-bürgerlichen Revolution im Mexiko der dreißiger Jahre die Industrialisierung der Städte systematisch gefördert. Gleichzeitig wurde eine kulturelle Infrastruktur entwickelt mit großangelegten Alphabetisierungskampagnen, dem Ausbau des Hochschulwesens und der Errichtung von Bibliotheken, mit der Gründung von Verlagen und Zeitschriften und der Gewährung von Stipendien. In der Literatur hatte die ältere Autorengeneration (vor allem Mariano Azuela und Agustín Yánez) eine thematische und erzähltechnische Umorientierung vorbereitet und damit zur Ausbildung eines neuen kontinentalen Bewusstseins beigetragen. Die anschließende kubanische Revolution weckte das nordamerikanische und europäische Interesse und führte schließlich zum sogenannten Boom der lateinamerikanischen Literatur in den frühen siebziger Jahren. Die zweite soziokulturelle Determinante bezieht sich auf das günstige Klima eines ...