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Nation: | Großbritannien |
von Anette Degott und Gabriele Eschweiler
Stand: 15.05.2022
„Glaube mir. Ich erzähle dir eine Geschichte“, versichert der Erzähler dem Leser immer wieder im Roman „The Passion“ („Verlangen“, 1987). Diese Erzählhaltung formuliert eine Aufforderung, die Wintersons Werk in vielerlei Hinsicht bestimmt: Angeblich persönliches Erleben schafft das zwischen Leser und Roman notwendige Vertrauensverhältnis; der Erzählvorgang vermischt die Grenze zwischen Wahrheit und Fiktion wie die zwischen Geschichtsschreibung und erlebter Geschichte. Das Verwischen solcher Grenzen zieht sich wie ein roter Faden durch Wintersons Werk. Die Autorin stellt dabei herkömmliche Wirklichkeitskonzepte in Frage und greift insbesondere Geschlechtertypisierungen in feministischem Sinne an – in zwei Romanen formuliert sie programmatisch: „Es sind Klischees, die den Ärger verursachen.“ („Verlangen“, „Auf den Körper geschrieben“, 1992) Immer wieder verunsichern die Gefühle von Leidenschaft und Liebe Wintersons Protagonisten – meist Rand- oder Außenseiterfiguren – derart, dass ihr Selbstbild ins Wanken gerät, und sie erleben sich in einer Welt, deren Orientierungsinstanzen – seien es traditionelle Vorstellungen von Mann und Frau oder die Konzepte von Zeit und Raum – sich aufzulösen scheinen. Gegen die lineare Chronologie der Ereignisse setzt die Autorin einen spiralförmigen Verlauf, den sie in ihrem Werk abzubilden ...