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Nation: | Norwegen |
von Simone Schiedermair
Stand: 15.09.2019
Charakteristisch für die Texte von Hanne Ørstavik sind ihre große Formbewusstheit und ihre intensive Auseinandersetzung mit Fragen der Identität. Es sind hermetische Texte, auf die man sich einlassen muss, für die man Zeit braucht, weil man mitarbeiten muss, mitweben muss, damit sich Texturen respektive Texte ergeben. Es sind Texte, die Übergänge und Räume zwischen verschiedenen Wirklichkeiten vorsichtig ausloten. Dabei stehen im Kontrast zu den schwebenden Einschätzungen die auffällig präzisen Vorgaben zur räumlichen Position der Protagonistinnen. Eindeutig und klar erscheinende äußere Zusammenhänge werden konterkariert von der Komplexität und Uneindeutigkeit der Selbstvergewisserungsprozesse, an denen sich die Romanheldinnen – es sind entweder Ich-Erzählerinnen oder weibliche Perspektivfiguren – abarbeiten. Assoziativ werden Gedanken, Erinnerungen, Vorstellungen, Träume und Hoffnungen zu Reflexionsnetzen gesponnen, die, flexibel und vorläufig, nur scheinbare und befristete Verstehensoptionen anbieten. Mit Formulierungen wie „als ob“, „wie wenn“, „es wirkt so“, „denkt sie“ werden sie wieder zurückgenommen und zur Disposition gestellt; eine Vielfalt semantischer und motivischer Verdichtungen ermöglicht postmoderne Flexibilität und verschiedene Wege durch die Texte. Diese Verfahren führen zu der spezifischen Ørstavikschen Textwirkung, die von den Lesenden fordert, ihre eigene Rolle als Lesende immer mitzureflektieren. ...