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Nation: | Russland |
von Rainer Grübel
Stand: 15.10.2013
Gennadij Ajgi ist ein viel prämierter, doch nicht unumstrittener Lyriker, Übersetzer sowie Textesammler, der in den 1950er Jahren in tschuwaschischer und seit 1960 in russischer Sprache geschrieben hat. Er zählt zu den Autoren, die zur Zeit der Sowjetkultur mit aller Konsequenz eine Literatur jenseits des Sozialistischen Realismus, eine „Untergrund-Literatur“ schufen. Statt anonymer Parteilichkeit kennzeichnet persönliche Verantwortung sein Schreiben, statt vorgeblicher Volkstümlichkeit die Bereitschaft zum sprachkünstlerischen Experiment, statt kruder Widerspiegelung (vor)gegebener Realität das Erzeugen neuer, gewagter Sprachwirklichkeiten. Seine Sprachkunst ist dabei stets in seinem konkreten Leben und seiner unmittelbaren Umgebung verankert; sie zeugt von seinem Denken, seinen Gefühlen und Erlebnissen, ja sie selbst bildet oft dieses Denken, Fühlen und Erleben. Letztlich geht es Ajgi wie Anna Achmatova (die sich ihrer tatarischen Herkunft bewusst war) um die Begründung einer russischen psychologischen Lyrik. Doch während in ihrem Werk Gedächtnis und Tageserinnerung an konkrete Dinge und Menschen, die sie umgaben, eine große Rolle spielen, ist es Ajgi um die Vor-, Un- und Unterbewusstseinszustände von Schlaf und Traum zu tun, die im Russischen mit ein und demselben Ausdruck „son“ bezeichnet werden, sowie um ...