Nation: | Volksrepublik China |
Stand: 01.06.2010
Von Wolfgang Kubin
Das Jahr 1989 mit seinen zerschlagenen Hoffnungen auf eine demokratische Erneuerung stellt vielleicht gar nicht einmal die große Zäsur dar, für die es immer gehalten worden ist. Nicht nur für die weitere Entwicklung der Literatur in der Volksrepublik China scheint drei Jahre später ein viel tiefer greifendes Ereignis seinen Lauf zu nehmen. Als die Kommunistische Partei Chinas nämlich erkennen musste, dass sie ihre Glaubwürdigkeit bei den Intellektuellen und beim Volk verspielt hatte, begann sie 1992, eine wirtschaftliche Entwicklung einzuleiten, die zum ersten Mal im Laufe der chinesischen Geschichte das Reichwerden als erstrebenswertes Ziel des Einzelnen zur Veränderung der Gesellschaft propagierte. Der Sozialismus chinesischer Prägung, wie nun fortan die Theorie eines Kommunismus plus Marktwirtschaft in China genannt wurde, erwies sich in den darauffolgenden Jahren jedoch als eine Art Frühkapitalismus, der gar radikalere gesellschaftliche Veränderungen mit sich brachte als der Maoismus zuvor zwischen 1949 und 1979.
Im Zuge einer Verpflichtung zur finanziellen Eigenverantwortung wurde den staatlichen Verlagshäusern nach und nach die bisherige monetäre Unterstützung entzogen. Viele Literaturzeitungen mussten des Weiteren ihre mitunter in die Millionen gehende Auflagenhöhe senken, weil sich auch die Lesegewohnheiten mit dem wirtschaftlichen ...