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Walter Braunfels

deutscher Komponist und Musikpädagoge
Geburtstag: 19. Dezember 1882 Frankfurt/Main
Todestag: 19. März 1954 Köln
Nation: Deutschland - Bundesrepublik

Internationales Biographisches Archiv 28/2011 vom 12. Juli 2011 (ds)
Ergänzt um Nachrichten durch MA-Journal bis KW 51/2011


Blick in die Presse

Herkunft

Walter Braunfels wurde 1882 in Frankfurt am Main geboren, wo er auch aufwuchs. Er stammte aus einer kunstsinnigen Familie: Sein Vater war der Jurist und Literaturwissenschaftler Ludwig Braunfels (1810-1885), der eine maßgebliche Übersetzung von Cervantes' "Don Quijote" herausgegeben hatte. Ludwig Braunfels war vom jüdischen Glauben seiner Eltern zum Protestantismus konvertiert, um Jura studieren zu können, und hatte in zweiter Ehe die 32 Jahre jüngere Helene Spohr, eine Großnichte des Komponisten Louis Spohr geheiratet. Von seiner Mutter, die mit Franz Liszt und Clara Schumann befreundet war, erhielt B. auch den ersten musikalischen Unterricht. Schon sehr früh zeigte sich seine außerordentliche Begabung am Klavier.

Ausbildung

B. studierte zunächst Volkswirtschaft ab 1902 in Kiel, wandte sich dann aber der Musik zu und war Schüler der Pianisten James Kwast (Hochsches Konservatorium in Frankfurt) und Theodor Leschetizky (Wien), während er die theoretischen Grundlagen vor allem bei Ludwig Thuille und Felix Mottl in München erwarb.

Wirken

Frühe PrägungIn München wurde B. musikalisch geprägt; als Korrepetitor nahm er z. B. 1903 an den Proben zur Erstaufführung von Richard Strauss’ "Salome" in München teil. 1905 bekam B. über seinen Onkel Karl Wolfskehl Kontakt zum Kreis um Stefan George und lernte sowohl die Familie von Adolf Furtwängler als auch die des Bildhauers Adolf von Hildebrand kennen, der ihn stark beeindruckte. Erste Erfolge als Komponist erfuhr B. auch in der Münchner Zeit.

Während des Ersten Weltkriegs wurde er eingezogen und kehrte verwundet zurück. Aufgrund der Kriegserlebnisse machte B. eine starke religiöse Erfahrung und trat 1918 zum Katholizismus über. Diese Hinwendung zum Glauben bestimmte später auch sein ganzes kompositorisches Schaffen.

Berufung zum Leiter der Kölner MusikhochschuleDer damals in Holzen im Isartal lebende Künstler wurde aufgrund seiner wachsenden Bekanntheit 1925 von Oberbürgermeister Konrad Adenauer zum Gründungsdirektor der Staatl. Hochschule für Musik und der Rheinischen Musikschule in Köln berufen. Ab 1931 war B. auch als Pianist in der Musikabteilung der Westdeutschen Rundfunk AG (WERAG) tätig. 1932 wirkte er als Lektor an der dortigen Universität. Er behielt diese Stellung bis zum 2. Mai 1933, als er vom Nationalsozialismus abgesetzt und aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen wurde. B.s Kölner Haus wurde notverkauft, er wechselte nach Bad Godesberg und zog sich aus dem öffentlichen Musikleben zurück. 1937 übersiedelte er mit seiner Familie an den Bodensee in die Nähe von Überlingen und unterrichtete einige Privatschüler. Zwei befreundete Schweizer Fabrikanten sicherten in dieser Zeit die Familie finanziell. Im Dez. 1938 verlor B. das Recht zur öffentlichen musikalischen Betätigung, was seine künstlerische und menschliche Isolation verstärkte. In dieser Zeit korrespondierte B. mit Konrad Adenauer, der ihn noch im Herbst 1945 überredete, in sein Amt an der Kölner Musikhochschule zurückzukehren. Seit 1946 war B. wieder Direktor der Staatl. Hochschule für Musik in Köln, ab 1947 deren Präsident. Im Jahre 1950 legte er seine Ämter nieder und ging in den Ruhestand.

Kompositionsstil und ThemenMit Courvoisier und Waltershausen war B. bester Exponent der Münchner Spätromantik. Nach seinen frühen Jahren, in denen er "als fortschrittlicher Kopf und wagemutiger Neutöner" galt (s. Lit.), entschied er sich gegen die Neue Musik und orientierte sich statt dessen an Vorbildern wie Bach, Mozart, Beethoven, Brahms, Berlioz, Lisztund Bruckner sowie an Zeitgenossen wie Pfitzner und Strauss. Von seinen Werken sind vor allem seine Opern zu nennen: die frühe Oper "Prinzessin Brambilla" (Stuttgart 1909), "Die Vögel" nach der Komödie des Aristophanes, in München 1920 von Bruno Walter bestellt und uraufgeführt und die Oper, die B. international bekannt machte, weiter "Ulenspiegel" (Stuttgart 1913), "Don Gil von den grünen Hosen" (München 1924) und "Galathea" (1930). Stark beachtet wurden sein "Tedeum" (Köln 1922), das Wilhelm Furtwängler sehr schätzte, die "Grosse Messe" (Köln 1927), "Phantastische Erscheinungen eines Themas von Hector Berlioz" (München 1920), "Variationen über ein Thema von Mozart" und die Orchestersuite "Der gläserne Berg" (1928) u. a.

Ächtung durch das Naziregime und Rückzug1933 verboten die Nazis B.s Werke. In den 12 Jahren der Ächtung in Deutschland näherte sich B. immer mehr dem Mystisch-Religiösen. Neben kleineren Werken entstanden drei Opern ("Mariä Verkündigung" nach Claudel, "Der Traum ein Leben" nach Grillparzer und "Die heilige Johanna" nach eigenem Text), vier Kantaten und zwei Konzerte. 1944 vertonte B. den Todesmonolog der Cleopatra aus Shakespeares Drama. Außerdem schrieb B. die Bühnenmusik zu Shakespeares "Was Ihr wollt" und "Macbeth". Nach dem Ende des Dritten Reiches fühlte er sich wegen seines Festhaltens an der Tonalität und der Religiosität seiner Werke unverstanden.

Wirken nach dem Krieg Trotz seines Rückzugs aus dem öffentlichen Musikleben blieb B. immer schöpferisch tätig. Die Uraufführung der von ihm komponierten Tanzballade "Der Zauberlehrling", die er 1951/52 für das Fernsehen geschrieben hatte, erlebte B. noch Anfang 1954. Zu seinem 70. Geburtstag erfuhr B. viele Ehrungen: Das Orchester des Bayerischen Rundfunks spielte in München seine "Weihnachtskantate", in Köln wurde eine ganze Woche mit B.s Musik veranstaltet, an der das Gürzenichorchester, die Gesellschaft für neue Musik und der Rundfunk mit Veranstaltungen beteiligt waren, und in Überlingen fand ein großes Festkonzert statt.

Rezeptionsgeschichte seit 1990: Seit den späten 90er Jahren erfuhren B.s Werke wieder mehr Aufmerksamkeit; sowohl kritische Kommentare als auch Würdigungen erschienen in der Presse. Lange vergessene Kompositionen wurden entweder aus der Versenkung geholt und wiederaufgeführt oder erlebten sogar ihre späte Uraufführung: 1998 kam die Oper "Die Vögel" in Köln auf die Bühne, 2001 wurden die letzten zwei Opern B.s "Der Traum ein Leben" (1934-37 komponiert) und die Oper "Scenen aus dem Leben der heiligen Johanna", zu der B. selbst den Text nach den Gerichtsakten verfasst hatte, uraufgeführt. Letztere hinterließ als ein "religiöses Mysterienspiel" (FAS, 20.4.2008) in Stockholm einen "starken Eindruck" (FAZ, 5.10.2001) und wurde 2008 nochmals mit großem Erfolg an der Deutschen Oper Berlin aufgeführt; erstere changierte "zwischen Träumen und Wachen" und korrespondierte mit "der als unwirklich empfundenen inneren Emigration des Komponisten wie auch der Gebrochenheit des Spätromantikers in der Moderne" (FAZ, 16.6.2001). Lebhaften Beifall bewirkte auch die Wiederaufführung von B.s "Großer Messe" in Stuttgart, eines Werks, das, in der klassisch-romantischen Tradition geschrieben, aber erweitert "durch farbenreiche chromatische Passagen sowie alte Kirchentonarten", nach Meinung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ins Repertoire der größeren Konzerthäuser gehöre (22.4.2010). Vorerst die letzte Wiederentdeckung von B.s Kompositionen ereignete sich 2011 in Gera mit der Inszenierung des "Ulenspiegel", der 1910-1912 komponiert und 1913 in Stuttgart seine Uraufführung erlebt hatte. Für diese hoch gelobte Aufführung schuf B.s Enkel, der Architekt Stephan Braunfels, der sich für die Wiederentdeckung der Werke seines Großvaters sehr einsetzt, das Bühnenbild. Ende 2011 sollte die "Verkündigung" nach Paul Claudel in München auf die Bühne des Prinzregententheaters kommen.

Familie

B. heiratete 1909 Bertel von Hildebrand, die jüngste Tochter des Bildhauers Adolf von Hildebrand; sie war vorher mit Wilhelm Furtwängler verlobt gewesen und hatte Unterricht bei Max Reger gehabt. Das Paar bekam vier Kinder; von diesen wurden vor allem der Kunsthistoriker Wolfgang Braunfels und der Komponist Michael Braunfels bekannt. Der Architekt Stephan Braunfels ist ein Enkel von B. Am 19. März 1954 starb B. im Alter von 71 Jahren in einer Klinik in Köln, nachdem er die letzten Jahre seines Lebens in Überlingen am Bodensee gelebt hatte.

Werke

Opern: "Falada" (1905), "Prinzessin Brambilla" (1906-08, neu bearb. 1929/30), "Ulenspiegel" (1910-12, UA 1913 Stuttgart, wieder aufgeführt 2011 in Gera), "Die Vögel" (1920), "Don Gil von den grünen Hosen" (1921-23), "Galathea" (1930), "Mariä Verkündigung" (1933-37), "Der Traum ein Leben" (1934-37, UA 01 in Regensburg), "Scenen aus dem Leben der heiligen Johanna" (1939-43, UA 2001 in Stockholm).

Orchesterwerke, Chorwerke u. a.: "Hexensabbat" für Klavier und Orchester (1906), "Was ihr wollt" op. 11 (1909), "Offenbarung Johannis" für Tenor, Doppelchor und großes Orchester op. 17 (1909), "Macbeth" op. 14 (1909), "Ariels Gesang" für kleines Orchester op. 18 (1910), "Serenade" für kleines Orchester Es-Dur op. 20 (1910), "Konzert für Orchester und Klavier A-Dur" op. 21 (1911), "Carnevals-Ouvertüre" op. 22 (1911), "Phantastische Erscheinungen eines Themas von Hector Berlioz" (1914-17), "Te Deum" für Sopran, Tenor, gemischten Chor, großes Orchester und Orgel op. 32 (1920-21), "Don-Juan-Variationen" op. 34 (1922-24), "Präludium und Fuge" op. 36 (1922-25), "Große Messe" op. 37 (1923-26), "Konzert für Orgel, Streicher, Blechbläser und Knabenchor" op. 38 (1927), "Der gläserne Berg" op. 39 (1928), "Schottische Phantasie" für Viola und Orchester op. 47 (1933) "Weihnachtskantate" op. 52 (1934-37), "Konzertstück für Klavier und Orchester cis-moll" op. 64 (1946), "Sinfonia Brevis" f-moll op. 69 (1948), "Hebridentänze" für Klavier und Orchester op. 70 (1951), "Der Zauberlehrling". Tanzballade für das Fernsehen (1951/52).

Kammermusik: Streichquartette Nr. 1 a-moll op. 60, Nr. 2 F-Dur op. 61, Nr. 3 e-moll op. 67 (1944-47), Streichquintett fis-moll op. 63 (45).

18. Dezember 2011: Premiere des Münchner Rundfunkorchesters mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Ulf Schirmer: "Verkündigung" von Walter Braunfels. Konzertante Aufführung nach Paul Claudel. Mit Juliane Banse u. a.

Literatur

Literatur: Franz Xaver Ohnesorg (Hrsg.): "Zeitlos unzeitgemäss" – der Komponist Walter Braunfels: 1882-1954. Ausstellungskatalog der KölnMusik in der Kölner Philharmonie, 4.3. - 20.4.1992, s. u. www.walterbraunfels.de

Adresse

Letzte Adresse: c/o Susanne Bruse, geb. Braunfels, Schererhofstr. 1a, 80805 München, Tel.: 089 3234909, Fax: 089 3243195, E-Mail: info.walterbraunfels@googlemail.com, Internet: www.walterbraunfels.de



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